Am Preddöhler Stausee

Im Frühsommer 2020 starb mein vierbeiniger Gefährte Migo. Eine Woche später war es Zeit, die Urne mit seiner Asche aus dem Krematorium nach Hause zu bringen. Aufgrund der lückenhaften Fahrpläne fuhr ich viel früher in die Umgebung von Falkenhagen nördlich von Pritzwalk, als der Termin geboten hätte, und wanderte am Preddöhler Stausee entlang. Migo hätte jener Weg gefallen und die Gelegenheit zum Baden genutzt.

In Gerdshagen, Ausbau stieg ich aus dem Bus.
Von links nach rechts durchzieht ein Graben das Bild, in welchem die Kümmernitz fließt. Auf der Wiese dahinter jagten Hasen einander. Im Rücken des Fotografen verläuft die Bundesautobahn 24.

An natürlichen Seen ist das Kerngebiet der Prignitz arm, obwohl die Landschaft wie das sonstige, seenreiche Brandenburg durch Gletscher geprägt wurde. Doch vor zwanzigtausend Jahren erreichte der Eispanzer während der Weichsel-Kaltzeit die Prignitz nicht. Man muss über hunderttausend Jahre weiter in die Vergangenheit gehen, in die Saale-Kaltzeit, um auch die Prignitz unter Eis zu sehen. Seitdem verfüllten Sedimentablagerungen viele Mulden, welche die Gletscher hinterlassen hatten.

Oberhalb des Preddöhler Stausees zweigt von der Kümmernitz ein Umlaufgraben nach links ab.
Bäume und Dickicht versperrten einer Weinbergschnecke und mir zunächst den Blick auf den See.
Blick nach Norden über den bereits passierten Teil des Preddöhler Stausees. Ein kleines Stück im Nordwesten des Sees gehört zu Gerdshagen. Der Großteil des Sees liegt im namensgebenden Ortsteil Preddöhl der Gemeinde Kümmernitztal.

Der Preddöhler Stausee füllt auf etwa zwei Kilometer Länge das Tal der Kümmernitz. Zwischen Horst und Helle mündet die Kümmernitz in die Dömnitz und entwässert so den See über Stepenitz und Elbe in die Nordsee. Mit je nach Wasserstand bis zu etwa einem halben Quadratkilometer Fläche ist der Preddöhler Stausee etwa so groß wie der benachbarte Sadenbecker Stausee1,2,3 oder die kleinste Stadt Deutschlands: Arnis, in Schleswig-Holstein.

Vom Ostufer unterhalb des Gnitzbergs geht der Blick hinüber zum Westufer.
Das Turmdach der Preddöhler Kirche ragt hinter Wipfeln am Südende des Sees hervor. Die Kirche wird auf die Mitte des 13. Jahrhunderts datiert.5
Ein Tretboot schwimmt am Ufer des Preddöhler Stausees im Wasser.

Angelegt wurde der See in den 1980er Jahren als Flachlandspeicher für die Bewässerung in der Landwirtschaft.2,6 Das Speicherbecken bietet einen Stauraum für mehr als eine Milliarde Liter Wasser.3,7 Heute nutzen Menschen den Preddöhler Stausee allerdings zur Erholung als Badesee und Angelgewässer. Er leistet außerdem einen Beitrag zum Hochwasserschutz.4

Hochwasserentlastung des Staudamms
Flachlandspeicherbecken mit Schwan
Blick vom Staudamm nach Nordosten

Zwar gibt der Preddöhler Stausee Fischen ein Zuhause und dient Vögeln – beispielsweise Schwänen – als Rastplatz.8 Allerdings hat er ökologisch auch Schattenseiten. So reduziert der See die Abflussmenge der Kümmernitz, was eine Herausforderung für Arten wie Bachmuscheln ist und die Fischwanderung behindert.9

Der Staudamm ist bis zu 8,6 Meter hoch.3
Dorfstraße, Preddöhl

Preddöhl ist urkundlich seit dem frühen 14. Jahrhundert belegt, beispielsweise im Mai des Jahres 1325 als Priddoͤle.10 Der Name ist slawischen Ursprungs und nimmt die Eignung des Ortes für eine Talsperre schon vorweg: Preddöhl heißt so viel wie bei oder vor dem Tal.11 Insbesondere die zweite Silbe döl findet sich in Ortsnamen häufig und ist mit gleicher Bedeutung verwandt mit niedersorbisch doł, polnisch dolina und über eine gemeinsame indoeuropäische Wurzel mit dem deutschen Tal.

Ein Foto für die Bienen
Ein Foto für Ellengard

Der eigentliche Anlass dieser Reise ließ kein Erkunden des Dorfes Preddöhl zu. Stattdessen wandte ich mich nach Osten zum Gewerbepark Prignitz in Falkenhagen. Eine Karte zeigt meinen Weg. Außer dem Anblick des Stausees und den Gedanken an die Zeit mit meinem verstorbenen Freund blieb mir von dieser Wanderung der Duft der wilden Hundsrosen in Erinnerung, der immer wieder in der Luft lag.

Blühender Holunder und ein Getreidefeld, vermutlich Gerste
Ausbauweg, Preddöhl
In einem Fleckchen Wald im Falkenhagener Gewerbegebiet sind Steine angeordnet.

Das Tierkrematorium befindet sich in der Straße Am Hünengrab, deren Name auf eine frühzeitliche Begräbnisstätte verweist. Mit Migos Urne ging ich von dort ins Dorf Falkenhagen und wartete unter den Augen eines Storches auf den Bus. Von Pritzwalk kehrten wir dann mit dem Prignitz-Express heim. In der Bahn fragte die Zugbegleiterin nach Migo, da er nicht da zu sein schien, und spendete Trost. Schön war so zu erfahren, dass Migo einen Platz auch in der Erinnerung anderer Menschen hat.


  1. Landkreis Prignitz/Der Landrat (Hrsg.): Statistischen Jahrbuch 2012/13, Seite 11.
  2. Landesanglerverband Brandenburg e.V. (Hrsg.): Der Märkische Angler 4/2010, Seite 17.
  3. Pöyry Deutschland GmbH: Gewässerentwicklungskonzept Stepenitz, Dömnitz & Jeetzebach, November 2012, Seite 82f.
  4. ebenda, Seite 45
  5. Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum: Denkmale in Brandenburg – Dorfkirche Preddöhl, abgerufen am 20. Juni 2021.
  6. Beate Vogel: Wenn Halme wenig Wasser haben, MAZ online, 29. März 2013.
  7. Landesumweltamt Brandenburg (Hrsg.): Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie – Bericht zur Bestandsaufnahme für das Land Brandenburg, September 2005, Seite 50.
  8. Ministerium der Justiz des Landes Brandenburg (Hrsg.): Amtsblatt für Brandenburg, 23. Jahrgang, Nr. 47, 28. November 2012, Seite 1710
  9. Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz Brandenburg (Hrsg.): Naturschutz und Landschaftspflege in Brandenburg, 21. Jahrgang, Heft 3, 2012, Seite 114ff.
  10. Verein für Meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde: Meklenburgisches Urkundenbuch, Band 7, Schwerin 1872, Urkunde 4630, Seite 276.
  11. Gustav Weisker: Slavische Sprachreste, insbesondere Ortsnamen, aus dem Havellande und den angrenzenden Gebieten, 1. Teil, Rathenow 1890, Seite 26.