Kuhwinkel bei Perleberg

Im Norden der Silge lag einst die Ortschaft Kuhwinkel. Auf den im Detail noch ungenauen, aber bereits sehr hilfreichen Karten des 17. Jahrhunderts findet man Kuhwinkel nah an der Elbe verzeichnet. Karten des 18. Jahrhunderts wie das Schmettausche Kartenwerk lokalisierten Kuhwinkel dann tatsachengemäß einige Kilometer vom großen Strom abgesetzt jenseits des Erlenbruchwaldes.

Kownickel findet sich genau in der Mitte dieses Ausschnitts einer Karte aus dem 17. Jahrhundert. Die gepunktete Linie markiert die Grenze Brandenburgs, zu dem seinerzeit noch die linkselbische Altmark gehörte.

Am 4. Oktober 2013 durchquerten Migo und ich die Silge von Süden nach Norden und statteten Kuhwinkel dabei einen Besuch ab, bevor wir weiter zur Dergenthiner Siedlung Am Bahnhof wanderten. In der Gemarkung Kuhwinkel wohnt heute kein Mensch mehr. Die vom einstigen Gut erhaltenen Kellergewölbe bieten aber Fledermäusen noch ein Wohnungsangebot. Hier einige Fotos der Wüstung:

40 Bilder aus Kuhwinkel

Es folgen einige Notizen aus der urkundlich dokumentierten menschlichen Besiedlungsgeschichte. Die Liste erhebt bei Weitem keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ich habe mich nicht durch Archive gewühlt, sondern nur zusammengetragen, was ich in Lieselott Enders Werk „Die Prignitz“ in meinem Bücherschrank fand und was mir bei einer Suche im Netz in die Hände fiel.

Aus der Geschichte Kuhwinkels

Kuhwinckel im Schmettauschen Kartenwerk aus dem Zeitraum 1767–1787
1558
Urkundliche Erwähnung als Kowinckel.[1]
15xx
Vielrogge verlegt Mitte des 16. Jahrhunderts den Wohnhof vom benachbarten Dergenthin nach Kuhwinkel.[2:313]
1583
Gutsherr Vielrogge zu Kuhwinkel ärgert sich über das gottlose Leben und üble Haushalten des Sükower Bauern Hans Niemann, der schon drei Jahre das Abendmahl versäumt hatte.[2:582]
1593
Die gut zwei Kilometer nördlich von Kuhwinkel gelegene Gemeinde Nebelin klagt gegen ihre Junker v. Wartenberg und Vielrogge zu Kuhwinkel ihr Recht am Holz bei ihrem Dorf und an den Bäumen auf ihrem Hufschlag ein. Ergebnis: Gemeinde und Junker sollen das Holz schonen und nicht an Fremde verkaufen.[2:465]
1609
Johann v. Vielrogge zu Kuhwinkel bittet anlässlich eines Totschlags als ein einfeltiger Beydermann um Rechtsbelehrung.[2:303] Seinerzeit oblag Gutsherren auch die Gerichtsbarkeit über Untertanen. Es ist löblich, wenn ein Gutsherr sich in außergewöhnlichen Fällen um Rechtsberatung bemühte, um ein juristisch einwandfreies Urteil zu fällen, statt sich zu überschätzen und falsch zu handeln.
1666
Oberstleutnant Alexander Joachim v. Platen erwirbt wiederkäuflich die Güter Kuhwinkel von Vielrogges Kreditoren.[2:695]
1686
Joachim v. Wartenberg verklagt den Wiederverkaufsbesitzer von Kuhwinkel v. Platen wegen Ruinierung des Weichholzes, Abstämmung fruchtbarer Bäume und übermäßiger Ziegenhaltung. Mit kurfürstlichem Konsens hatte er selbst Holz in der Kuhwinkler Silge schlagen lassen und für gut 255 rt verkauft.[2:704]
1759
v. Platen zu Kuhwinkel kauft Gut Seetz von v. Karstedt.[2:947]
1761
v. Platen zu Kuhwinkel kauft Garlin mit Bootz von v. Winterfeld.[2:947]
1762
Seetz und Garlin mit Bootz gehen weiter an Amtmann Johann Christoph Sauerland.[2:947]
1794
Die 28-jährige Sophia v. Platen erwirkt vor Gericht die von ihrem Vater verwehrte Einwilligung in die Heirat mit dem Holländer Adolph Johns zu Lindenberg und die Rücknahme ihrer Enterbung.[2:1166] Holländer bezeichnet dabei den Leiter einer Milchwirtschaft, nicht die Nationalität.[3]
~1801
Kuhwinkel wird als adliges Gut des Rittmeisters v. Platen daselbst, eingepfarrt in Dergenthin, geführt. Es gibt 9 Feuerstellen und 76 Menschen. Verzeichnet werden 6 Büdner, 1 Einlieger, Schäferei und Försterwohnung sowie 450 Morgen Holz.[4]
~1817
75 Seelen lutherischer Konfession leben auf dem Gut, das in Dergenthin eingepfarrt ist und den Platenschen Erben daselbst gehört.[5]
1827
Zwangsversteigerungstermin am 5. Mai beim v. Platenschen Gericht für die Mühle von Meister Hackradt in Motrich.[6]
1928
Kuhwinkel wird nach Dergenthin eingemeindet.[7][8]
1972
Am 1. Juni wird Kuhwinkel mit Beschluss Nr. 13 des Bezirkstages Schwerin zum Naturschutzgebiet erklärt.[9] Das Naturschutzgebiet umfasst etwa 55 Hektar.[10]
Ausschnitt mit Kuhwinkel aus dem preußischen Messtischblatt Schilde von 1881

[1]
Sophie Wauer: Brandenburgisches Namenbuch – Die Ortsnamen der Prignitz. H. Böhlaus Nachfolger, 1989; S. 151
[2]
Lieselott Enders: Die Prignitz – Geschichte einer kurmärkischen Landschaft vom 12. bis zum 18. Jahrhundert. Verlag für Berlin-Brandenburg, Potsdam, 1. Auflage 2000
[3]
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig, 1907; S. 479
[4]
Friedrich Wilhelm August Bratring: Statistisch-topographische Beschreibung der gesammten Mark Brandenburg. Erster Band. Friedrich Maurer, Berlin, 1804; S. 422
[5]
Ortschafts-Verzeichniß des Regierungs-Bezirks Potsdam nach der neuesten Kreiseintheilung vom Jahre 1817. Georg Decker, Berlin; S. ?
[6]
Amtsblatt der königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin. Jahrgang 1827; S. 81
[7]
Rathaus-Gucker, Jubiläumsausgabe. 2009; S. 42
[8]
Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.08.2006, Aktenzeichen OVG 11 N 58.05
[9]
Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft des Landes Brandenburg: Naturschutzgebiete in Brandenburg
[10]
NABU-Stiftung Nationales Naturerbe: Kuhwinkel. Steckbrief