45. Joachim Husen, der Wollenweber.
Wieder grollt’s wie stark Gewitter
Ob des Raths beladnem Haupt,
Und die Bürger reden bitter,
Daß er sie des Rechts beraubt.
„Freunde“, spricht der Wollenweber
Husen zu der Männer Schaar,
„Sagen’s frei wir von der Leber,
Legen wir die Sachen klar.
„Melden wir dem Rath die Klagen
Um sein hartes Regiment;
Woll’n nicht länger heimlich tragen,
Was uns in die Seele brennt. —
„Schulden machen mögen Alle
Ohne Rathmannsweisheit schon;
Wer die Stadt bewahrt vorm Falle,
Der verdient die Ehrenkron’.
„Ist es recht, nur sich zu tränken,
Hat am Spundloch man den Platz?
Nein, die Armen fromm bedenken,
Sei des Rathes erster Satz.“ — —
„Husen“, schallt es laut, „o rede
Du an unsrer Statt zum Rath,
Leg’ die Feindschaft bei und Fehde,
Und verhüte blut’ge That.“
So zum Sprecher ausersehen
Ging er vor den Rath: „Ihr Herrn,
Friedlich mag die Stadt bestehen,
Doch der Friede ist ihr fern!
„Zum Vermittler in der Irrung
Ruft Matthäus Lüitken an,
Seine Weisheit die Verwirrung
Noch zuerst zerstreuen kann.“
So geschah’s. Der wackre Sprecher
Und der milde Domdechant
Wirkten, daß der Friedensbecher
Kreiste oft von Hand zu Hand.
(Joachim Husen war der Sprecher der Gemeinde in der Rezeßangelegenheit wie auch noch später; der Rath befragte in allen wichtigen Sachen die Gemeine um ihren Willen.)