46. Aus dem Receß von 1594.
a. Vom Schoßzahlen.
Dem ward ein Bündlein, dem ein Bund
Von Gott bestimmt im Leben,
Und Jedem wurde Last und Pfund
Nach seiner Kraft gegeben;
Indeß der Perleberger Rath
Hat gleichen Schoß in seiner Stadt
Gesetzet Arm und Reichen.
So hoch sein Gut verschosset war
Dem Vater, dem biderben,
Ein Gleiches nimmt hier offenbar
Der Rath von jedem Erben.
Bedenk’, o Rath, zu unserm Heil:
Was von dem Ganzen ist ein Theil,
Ist kleiner als das Ganze.
Laßt Affection und Gnad’ und Gunst,
Macht frei erst Seel’ und Augen,
Dann mögt Ihr ohne große Kunst
Zur Schoßvertheilung taugen.
Zu Rathhaus komme Jedermann
Und zeige sein Besitzthum an,
Und dann belegt ihn richtig!
Den Vorschoß macht zu mäß’ger Tax
Nach eigener Erfahrung
Von Wohnhaus, Hausland, Wiesenwachs
Und von Gewerb’ und Nahrung.
Erhöhet nie ihn bald und leicht!
Des Bürgers Einnahm’ fällt und steigt,
Er muß es stille tragen.
Den Pfundschoß wollt Ihr dann zuletzt
Noch unsrer Stadt verkünden,
Den Ihr von stehndem Erbe setzt
Und von der Feldmark Gründen.
Kein Zaudern, keine Cunctation!
Dem Rath zur Schmach, der Stadt zum Hohn
War unsre Schoßgeschichte. —
b. Retardirte Schösse.
Das Geld, das Geld, das ist der Gott,
Den sie nicht lassen wollen,
Ihr Hort, den sie, dem Recht zum Spott,
Nicht opfern, da sie sollen.
Aus solcher falschen Lieb’ entspringt,
Daß nichts im städt’schen Kasten klingt.
Der Rath, der sich den Schoß bemaß,
Thut eben, wie die Meisten,
Da er fürsätziglich vergaß,
Den Schoß nun auch zu leisten.
So borgt die Stadt denn sonder Ruh,
Und stopft aus Löchern Löcher zu.
Nicht länger quäl’ uns solch ein Fluch,
Und der Intressen Größe!
Drum registrirt speciell im Buch
Die retardirten Schösse,
Und ruft die Schuldner gleich heran!
Wer nicht erscheint, verklage man.
c. Rechnungslegung.
Von Olims Zeiten stammt der Satz:
Legt Rechnung den Gewerken!
Wir müssen heut an diesem Platz
Des Raths Gedächtniß stärken.
Legt Rechnung jährlich, groß und klein,
Und Nichts sei ausgeschlossen!
Besprechung soll gewähret sein
Danach den Werksgenossen.
Und was sie finden tadelnswerth,
Der Rath vernehm’ es willig,
Und findet sich der Rath beschwert,
So rede er wie billig.
Ausführlich gebe er Bericht,
„Vernünftig und bescheiden“,
Denn Bürgersleut’ sind Knechte nicht,
Die Willkür müßten leiden.
d. Thorhüten.
Die Reihe geht gar bald herum!
Der Bürger sitzt am Thor sich krumm,
Er schaut, wer durch das Thor passirt.
Was nutzt’s der Stadt? — sein Haus verliert.
Die Reih an ihm ist wieder bald,
Dann muß er faul sein mit Gewalt,
Treibt Würfelspiel und Kartenspiel,
Und lacht und scherzt und trinkt — zu viel!
Thorwächter hält der weise Rath;
Sie sind jetzt Schutz genug der Stadt.
Drum stellet ein des Bürgers Wacht,
So lang dem Land der Friede lacht. —
e. Zuchtvieh
Vor Alters hielten Bürgersleut’
Das Zuchtvieh unsrer Stadt;
Ihr wollt kein Erbrecht draus, und heut
Versorgt solch Vieh der Rath.
Und auf dem Stadthof steht’s und schaut
So dürre wie ein Stock;
Ihr futtert nur erbärmlich Kraut
An Eber, Stier und Bock.
Gemeinheit bringen und Gewerk’
Euch solches hier zur Sprach’.
Das liebe Vieh in Perleberg,
O je, das ist danach!
Zu Lichtmeß jährlich führet vor
Die Bull’n der Bürgerschaft,
Die prüf’ sie streng vom Schwanz zum Ohr
Nach Fülle, Wucht und Kraft.
f. Büdner und Bettler.
Schoßpflichtige Häuser verwandeln
Zu Buden die Großen der Stadt,
Aufnehmen sie Büdner und Bettler,
Da Keiner ein Eigenes hat.
Es mindert die Schaar sich der Bürger,
Drum steigen die Pflichten hinauf;
Es mindert der Schoß sich im Stadtring,
Es mehrt sich der Bettelnden Hauf.
Zu jeglichem Hausland sei fürder
Nur eine der Buden erlaubt,
Wird doch schon zu emsig gebettelt,
Wird doch schon zu schrecklich geraubt.
Und wer sich zu setzen begehret,
Soll bringen uns Briefe und Schein’.
Welch Unheil möcht’ sonst wohl uns packen,
Stell’n kriegrische Zeiten sich ein.
g. Die Buchmast.
„Ihr werthen Rathsherrn, das ist klar“,
So sprach Joachim Husen,
„Verdienten Lohns sind einzig bar
Die Gaben holder Musen.
Doch Eure Müh in Polizei
Und Schlichtung der Beschwerden,
Dies ew’ge, triste Einerlei
Muß Euch vergütet werden.
„Drum ward Euch längst nach Eurer Wahl
Gewährt, und das soll bleiben,
An Schweinen die gesetzte Zahl
Zur Buchmast auszutreiben.
Das Fett, das an dem Amtstisch bald
Verrinnt durch Arbeitshetzen,
Das will in solcherlei Gestalt
Der Bürger Euch ersetzen.
„Indeß, es ist nicht unsre Art,
Von unserm Recht zu lassen;
Da Ihr nach Willkür nur verfahrt,
Beschädigt Ihr die Kassen.
Ihr jagt der Schweine funfzig mehr
Als Euch erlaubt, zur Haide,
Und diese Weise schmerzt uns sehr,
Wir wehren solchem Leide.
„Nach der Gemeinde Willen wird
Gebrannt jetzt Eure Herde,
Daß jedem Theile unbeirrt
Sein Recht, sein volles, werde.
Und daß Euch Satan nicht beschleicht,
Betrug uns zu erweisen,
Was Euch zur Ehre nicht gereicht,
Verwahren wir das Eisen.“ (!)
h. Die Stadtgrenzen.
„Die alten Bürger, weise Herrn,
Die alten sind begraben,
Doch müssen tücht’gen Bürgerkern
Zu aller Zeit wir haben.
Nun seht die jungen Meister an;
Wie? habt Ihr Eure Freude dran?
„Die Männlein kennen nicht einmal
Die Grenzen unsrer Felder,
Sie kennen nicht der Pläne Zahl,
Den Reichthum unsrer Wälder,
Und Ihr, verzeih’s uns Eure Huld!
Ihr werthen Herren tragt die Schuld.
„Denn dientet tüchtig Ihr der Stadt,
Ihr ließet nicht verfallen
Die Grenzen, die der Ahne hat
Gebaut zum Heil uns Allen.
Wenn Ihr die Vaterstadt nicht ehrt,
Wie hält sie dann der Bürger werth?
„Drum richtet auf die Grenzen neu
Und weiset sie der Jugend,
Damit sie schätze Bürgertreu
Und lerne Bürgertugend.
Alljährlich um die Maienzeit
Besorget das mit Emsigkeit.“
Es knirschten mit den Zähnen schier
Ob solchen Worts die Herren,
Doch wollten sie den Frieden hier,
So half kein eitles Sperren.
Und jährlich nun geschah der Zug,
Da machten sie die Bürger klug.
„Ihr Freunde, Ihr vergeßt doch nicht
Die Grenzen, die wir schützen?
Ein leichter Schlag in’s Angesicht
Möcht’ dem Gedächtnis nützen. —
Dies sind die Grenzen! seht sie da!
Behaltet, was Euch hier geschah!“
i. Studentenlehn.
Joachim Husen spricht mit Fleiß
Zum Heile der Gewerke,
Daß nicht der Rath in schnöder Weis’
Gebrauche seine Stärke.
Er denkt: Jetzt ist die rechte Zeit,
An’s Werk denn sonder Schüchternheit!
„Der Bürgermeister selber führt
Des Hospitales Kassen?
Das ist kein Werk, das ihm gebührt,
Das soll er Andern lassen.
Er soll auf hoher Zinne stehn
Und auf der Stadt Gedeihen sehn.
„Er schaue nach Gelegenheit,
Die Bürgerschaft zu heben;
Er denke tief, er blicke weit,
Dem Ganzen gilt sein Streben.
Nur kluge, frische, kühne That,
Nicht ängstlich Knausern hilft der Stadt.
„Ich greife aus dem reichen Strauß
Der Bürgermeisterpflichten
Ein kleines Knösplein jetzt heraus,
Um ernst Euch zu berichten,
Wie es zu hocherhabner Pracht
Auf rechte Weise wird entfacht.
„Die Knösplein heißt Studentenlehn.
Ihr gebt’s der Großen Söhnen,
Daß die auf hohe Schulen gehn,
Um ihren Geist zu schönen.
Ja, Geist! — Ei, hängt denn das Genie
An Stand und Geld? ich hört’ es nie.
„Nein, Bürgermeister, schau hinaus,
Und sind des Geistes Gaben
Gefallen in ein armes Haus,
So soll’s die Knospe haben.
Sie machen den Prometheus frei
Und reiß’ die Ketten ihm entzwei.
„Dann fordert, daß er hier sich weiht
Dem Wohle der Gemeine,
Und daß er Euch mit Emsigkeit
Zu treuem Dienst sich eine.
Dann bringt Euch Segen ein das Lehn,
Das jetzt ich muß verkommen sehn.“
(Studentenlehn sind Stipendien zum Studiren. — Der Receß von 1594 bezog sich auf neunzehn verschiedene Punkte.)