Der kleine Planet …

Der kleine Planet …
Man nannte ihn Erde,
man nannte ihn Schauplatz,
man nannte ihn Heimat,
man nannte ihn die Welt.
Man nannte ihn Scheibe,
man nannte ihn Mutter
und nannte ihn Grund.
Man nannte ihn Halde.
… der war gar nicht so klein.

Man ließ sich nur blenden
von s.ooo.ooo.ooo vielen Menschen
und der unglaublichen Zahl der Feuerbälle da draußen
und der unglaublichen Weite der eisigen Kälte darum.
Dabei spielen die gar nicht mit.
Ein Mensch kann hier einsam sein
und die Feuerbälle da draußen, die töten,
und die Kälte ist unfassbare Leere.

Der große kleine Planet
und sein fliehendes, liebliches Kind:
Sie sind alles
und ich bin aus ihnen,
wie meine Liebe,
und kehre einmal zurück,
wie meine Liebe.
Ich kann nur ruhen in ihnen.


„Der kleine Planet …“ schrieb ich am 29. Oktober 2003. Im Dezember desselben Jahres wurde es im Online-Magazin Leumond veröffentlicht.

Wie in der Geschichte „H.....“, die einige Monate später entstand, ist auch hier Heimat ein Thema. Ich empfand es damals wie heute als bemerkenswert, dass Heimatgefühle skaleninvariant wirken. Das heißt, dass man ein heimisches Gefühl verspürt, wenn man von einem Spaziergang in der Umgebung nach Hause zurückkehrt. Dass man bei einer Radtour durch den Landkreis aber das gleiche Gefühl für seinen ganzen Ort verspürt. Bei einem Ausflug durch das Bundesland empfindet man schon ein heimatliches Gefühl, wenn man in den eigenen Landkreis zurückkehrt. Auf einer Deutschlandreise ist das Bundesland dann Heimat. Dies lässt sich noch weiterführen. Oder geht es nur mir so?

Vor einigen Jahren las ich sehr viel über Astronomie und Kosmologie – eines meiner Lieblingsbücher ist noch immer „Das erste Licht“ von Richard Preston. Wenn man sich mit Kosmologie auseinandersetzt und irgendwie versucht sich die unglaublichen Weiten des Alls vorzustellen, kann man selbst für die Galaxis (Milchstraße) schon Heimatgefühle entwickeln. Das, obwohl unsere Galaxie so riesig ist, dass ein Raumschiff mit Lichtgeschwindigkeit noch immer 100.000 Jahre bräuchte, um sie einmal zu durchqueren. So etwas nachzuvollziehen ist kaum möglich, ist es doch jenseits unserer Alltagserfahrungen. Haben Sie ein Gespür dafür, wie sich 100.000 Jahre anfühlen, oder wie es ist, mit Lichtgeschwindigkeit zu reisen? Mit Lichtgeschwindigkeit wäre Phileas Fogg in Jules Vernes Roman nicht in 80 Tagen einmal um unseren Planeten gereist, sondern 8-mal in einer guten Sekunde.

Grübele ich so über die Milchstraße, verspüre ich heimatliche Gefühle für unser Sonnensystem mit seinen vertrauten 8 Planeten von Merkur bis Neptun. Das Sonnensystem ist das Weiteste, was von Menschen gebaute Schiffe bislang bereisten. Ich denke, es wäre zuträglich für ein friedliches Zusammenleben der Menschen, wenn wir uns öfter die Bilder anschauen würden, welche jene Schiffe auf unsere Erde zurückblickend aufnahmen: Die Erde zeigt sich darauf als unsere, gemeinsame Heimat.

Andererseits sollten wir die Erde auch nicht zu klein denken: Es gibt keinen Anlass für klaustrophobische Zustände. Es ist genug Platz für alle da, wenn niemand wesentlich mehr als nötig für sich beansprucht – „alle“ sagend meine ich auch unsere nicht-menschlichen Mitgeschöpfe. Es gibt noch viel Unbekanntes sowie Unverstandenes. Von der Tiefsee, welche die Hälfte unserer Erdoberfläche ausmacht, sagt man zum Beispiel, wir wüssten über sie weniger als über die Rückseite des Mondes.