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Der Frühling kam, herangesehnt von leuchtend grünen Augen. An den sonnenbestrahlten Südhängen brachen die Blattknospen der Bäume auseinander. Morgens entführte der Nebel aus den Tälern die letzten Fetzen Winterschläfrigkeit. Triumphierend kehrte das Leben zurück. Kein Tier, dass sich versteckte. Keine Blume, die sich nicht dem Licht entgegen streckte.

Zeit des Aufbruchs.
Der junge Ritter.
Ritt.
Hinter sich, eingerahmt von schützendem Gemäuer: die Spiele mit den Kameraden, der Unterricht beim Vater, Wappenlehre, seine glückliche Vergangenheit. Schwestern wie auch Brüder.
Vor ihm: die aufgehende Sonne, das Abenteuer, Ruhm und Ehre usw., seine verheißungsvolle Zukunft.

Der junge Ritter.
Durchquerte Bäche und Wälder und Ebenen und Schluchten. Sein Lager für die Nacht fand er im Schwemmsand eines alten Flussbettes, manchmal auch versteckt im Gras der Waldeslichtung.

Der junge Ritter.
Auf den Gipfeln der Anhöhen.
Thronten Schlösser wie Burgen, eines schöner als das andere. Er war es (Wow!) mit seinem stolzen Pferd, dem die Buben hinterherliefen, mit ihren hölzernen Schwertern und Besenrössern. Ihm. Nicht umgekehrt. Wann immer er die Tore zu einem Herrensitz passierte.

Der junge Ritter.
Die Burgen. Eine schöner als die andere.
Das Pfingstfest. Das Meer.
Auf einer Insel bei Flut, eine Landzunge bei Ebbe.
Das mächtigste und prächtigste Bauwerk, das er je erblickte.
Die Flaggen: auf halber Höhe der Masten. Schwarz. Die Pest? Nein, nicht die Pest.

Der König.
Lud jeden ein zum Mahl, in seinem Zweifel, seinem Gram. Versprach demjenigen seine Tochter, der sie würde befreien aus den Klauen des unbesiegbaren Drachen.

Junger Ritter: Ich werde es vollbringen!
König: Dem unbesiegbaren Drachen möchtest du dich stellen?
Junger Ritter: Ich werde mich dem unbesiegbaren Drachen stellen. Ich tue es nicht um der Tochter willen, der HErr möge sie behüten, ich tue es, weil es getan werden muss.
König: Weil er da ist, der unbesiegbare Drache?
Junger Ritter: Weil er da ist.
König: Verschmähst du meine Tochter?
Junger Ritter: Nein. Dankbar nehme ich sie zur Frau! Ich meine nur...
König: Du meinst?
Junger Ritter: Ich würde auch kämpfen, wäre es eine runzlige Kuhmagd.
König: Gut so, Narr.

Am Strand.

DER UNBESIEGBARE DRACHE
Köpfe:              7 (wachsen nach)
Schwänze:           3 (wachsen nach)
Entführungsopfer:   1 (Königstochter)
Profikämpfe:       21
Siege:             21
Siege durch K.o.:  21
Niederlagen:        0

DER HERAUSFORDERER
Der junge Ritter.
Auf seinem stolzen Pferd.
Profikämpfe:        2 (Turniere)
Siege:              1
Siege durch K.o.:   0 (im Turniermodus nicht vorgesehen)
Niederlagen:        1 (Platz 8 von 9)

Am Strand.
Der junge Ritter. Der unbesiegbare Drache. Im Hintergrund einer dunklen Höhle mischte die liebliche Stimme der Königstochter dem Brandungsrauschen ein Wiegenlied bei.

Der Kampf.
Elf Köpfe schlug der junge Ritter dem unbesiegbaren Drachen ab.
Elf Köpfe.
Elf.
Dann beförderte ihn ein Schwanzschlag hinüber in die andere Welt.
Das Blut spritzte noch, da war sein Geist dem Körper längst entwichen. Der Drache labte sich an dem Leichnam und an dem stolzen Pferd.
Für einige Tage ward des Königs Tochter sicher vor dem Hunger des unbesiegbaren Drachen.

Der Geist des jungen Ritters.
Schwang sich auf den Rücken seines Geisterpferdes.
Der Geist des jungen Ritters.
Ritt.
Hinter sich: der unbesiegbare Drache, wohlgenährt, eine liebliche Stimme und das Wiegenlied. Sein Leben.
Vor ihm: die untergehende Sonne.

Der Geist des jungen Ritters.
Durchquerte Bäche und Wälder und Ebenen und Schluchten. Sein Lager für die Nacht fand er im Schwemmsand eines alten Flussbettes, manchmal auch versteckt im Gras der Waldeslichtung.

Der Geist des jungen Ritters.
Auf den Gipfeln der Anhöhen.
Thronten Schlösser wie Burgen, eines schöner als das andere.
Immer schöner. Noch vor Mariä Himmelfahrt erreichte der Geist des jungen Ritters die Burg, von der er kam. So schön, dass ihm sein Herz aufging. Ihm und seinem stolzen Geisterpferd.

Der Geist des jungen Ritters.
Floss dahin.


Über den Hintergrund mancher Geschichten gibt es wenig zu sagen, denn sie werden einfach so geschrieben, entfließen den Fingern aus einer spontanen Lust heraus. Andere Geschichten verarbeiten Erlebtes. Es gibt auch Geschichten, mit denen der Autor – das bin ich (Wow!) – ein ganz bestimmtes Bild, ein Gefühl oder eine Botschaft ausdrücken möchte. So ist es bei dieser.

Als ich sie am 15. April 2004 notierte, hatte ich nicht vor, sie zu kommentieren. Einem Leser – das bist gerade Du (Yay!) – kann man guten Gewissens seinen ganz eigenen Eindruck überlassen. Ich empfinde es als eine große Ehre und als unheimlich spannend, an der Interpretation meiner Geschichten durch einen anderen teilhaben zu dürfen. Es gehört schon eine Portion Mut dazu, einem Autoren zu sagen, was man in seiner Geschichte sieht und wie man sie versteht, denke ich.

Das darf etwas anderes sein, als sich der Autor dachte. Ich gebe gern zu, dass mir dies eine besondere Freude macht: Aussagen in Zusammenhängen zitieren, in die sie wunderbar passen, und die doch ganz anders sind, als der Zitierte sie sah. Umdeuten. Einen eigenen Blickwinkel finden. Das ist interessant. Das ist toll.

Dessen ungeachtet möchte ich zu dieser Geschichte nun meinen Leitgedanken nennen, auch für mich, sodass ich ihn nicht vergesse. Vielleicht deckt er sich mit Deinem Eindruck, vielleicht auch nicht:

Heimat.
Daher auch der Titel.
Die Fremde ist schön, es gibt so viel Interessantes zu entdecken, andere Blickwinkel, Herausforderungen. Daher ist es kein Wunder, dass auf der Reise des jungen Ritters ein Burgschloss schöner als das vorige wirkt, als er den Platz seiner Jugendzeit verlässt und sich ins Abenteuer stürzt. Doch auch auf dem Weg zurück werden die Burgen immer schöner, je näher der (dann tote) junge Ritter seinem Geburtsort kommt, nicht etwa hässlicher. Dabei sind es noch immer die gleichen Burgen. Der Grund hierfür ist das herzerwärmende Gefühl, das einen befällt, wenn man in seine Heimat zurückkehrt.