10. Schlächter und Juden in Perleberg. 1346.
„Die Andern werden reich und fett
Durch ihre Handelsreisen;
Wenn unsre Gilde Gleiches hätt’,
Wie könnte man sich preisen.
Doch ist die Fahrt gen Nord zu weit
Für unsre Waar’ in dieser Zeit.“ —
Zu diesem neid’schen Schlächterwort
Hat sich noch eins gefunden:
„Und dazu nehmen hier am Ort
Die Juden uns die Kunden;
Sie essen nur, was koscher ist,
Das andre Fleisch erkauft der Christ.“
Den Juden ward gar bang zu Muth,
Sie hörten’s mit Entsetzen;
Sie kannten Schlächterfäuste gut
Und kannten Judenhetzen,
Und nahmen um ein Privileg
Zum starken Rathe ihren Weg.
Der Rath hat ihnen das gegönnt,
Und gab der Schaar die Rechte,
Das übrigbleibend Fleisch sie könnt’
Gebrauchen, wie sie möchte,
Verkaufen auch an Jedermann,
Und ging das keinen Schlächter an.
Und Israel verfuhr auf’s Best’
Genau nach diesem Schreiben,
Es hielt das eine Wörtchen fest,
Das Wörtchen „übrigbleiben“.
Und trieb erst recht nun nebenbei
Mit gutem Nutzen Schlächterei.
Die blaue Zornesader schwoll
Alsbald den Schlächtermeistern.
„O Rath, warum so rücksichtsvoll
Mit diesen schlauen Geistern?
Gebiete solchem Treiben Halt,
Und wird es dann nicht anders bald — —!“
„Ihr Juden, war das so gemeint?
Ihr habt nicht recht begriffen.
Die Schlächter sind Euch lang schon feind
Und zürnen Euern Kniffen.
Nun hört und nehmt es klüglich ein,
Wenn Wir Euch sollen Schutz verleihn.
„Ihr schlachtet so und so viel Stück
An Rind und Schöpsen jährlich;
Doch ziehn Wir Unsre Hand zurück
Von Euch, wenn Ihr nicht ehrlich.
Von diesen zwanzig, merkt es ja!
Von jenen zwölf, et cetera.“ —
Die Schlächter wollten reden noch.
„Pst!“ sprach der Rath, „nur stille!
’s sind rühr’ge Leut, das wißt Ihr doch?
Es schützt sie Unser Wille!
Wir müssen allzeit Juden ha’n,
Daß man in Nöthen leihen kann!“ —
(Die Juden wohnten in der Gegend der Judenstraße, damals und bis in’s sechzehnte Jahrhundert das Judendorf geheißen, innerhalb der Stadtmauern. Der Rath schützte sie und eine Judenverfolgung hat in Perleberg nicht stattgefunden.)