Gute Schuldner, schlechte Schuldner

Einerseits lieben Banken Schuldner, andererseits behandeln sie Schuldner wie Schmutz. Zu welcher dieser beiden Kundengruppe ein Schuldner gehört, hängt wesentlich davon ab, bei wem der Schuldner Schulden hat und ob er Kreditzinsen noch bedienen kann.

Der Lieblingsschuldner …

Mögen Banken diejenigen Schuldner, die woanders Schulden haben, oder solche, die der Bank selbst Geld schulden? Reflexartig mag man antworten, dass diesen egoistischen Finanzvampiren bestimmt egal sei, wenn jemand irgendwo in der Kreide stehe, solange er nur ihnen gegenüber alle Verbindlichkeiten beglichen habe. Doch weit gefehlt! Banken mögen Kunden, die bei ihr selbst Schulden haben.

Eben das macht nämlich das traditionelle Bankgeschäft aus. Banken verdienen Geld damit, dass Menschen, Unternehmen, Staaten et cetera bei ihr leihen und der Bank auf das Geliehene Zinsen zahlen. Ohne Schuldner kein Geschäft. Wenn man im Einzelhandel vom König Kunden spricht, dann muss es im Kreditwesen heißen: Der Schuldner ist König.

Ja, Banken lieben Kunden, die ihr Girokonto regelmäßig ins Minus laufen lassen und den Dispositionskredit kräftig in Anspruch nehmen, solange sie nur nicht zahlungsunfähig werden. Das zuverlässig knapp im Plus gehaltene Girokonto der sprichwörtlichen schwäbischen Hausfrau rentiert sich für eine Bank hingegen nicht ohne Gebühren.

… und sein verhasster Zwilling

Eine Bank, bei der ich nur ein Girokonto nach Art der schwäbischen Hausfrau führe, sendet mir regelmäßig Werbung zu. Im Gegensatz zur üblichen Reklame, die einem das Portmonee erleichtern möchte, fordert diese Werbung dazu auf, Geld der Bank anzunehmen. Grinsend steigt ein Dschinn aus seiner Öllampe und bietet an, ein neues Auto, neue Möbel, oder den Traumurlaub zu finanzieren. Egal wofür, egal wie nachteilig zum Beispiel ein Urlaub auf Pump ist: Machen Sie Schulden bei uns, werter Kunde!

Für Banken und Sparkassen noch unangenehmer als schuldenfreie Kunden aber sind Menschen, die woanders in der Schuld stehen und damit überfordert sind. Denn bei ihnen droht die Kontopfändung, was dem Kreditinstitut Aufwand und damit Kosten beschert. Diese Mehrkosten darf die Bank dem Kunden nicht in Rechnung stellen, denn die Bearbeitung einer Kontopfändung ist keine erwünschte Dienstleistung für den Kunden, sondern schlicht eine vom Gesetzgeber auferlegte Pflicht der Bank.

Selbst wenn der überforderte, woanders Verschuldete seiner Bank etwaige reguläre Kontoführungsgebühren stets pünktlich zahlt, stellt er daher eine Belastung für das Kreditinstitut dar. Außerdem gibt es bei ihm keine Perspektive, dass sich die Kundenbeziehung demnächst zum Vorteil der Bank entwickeln wird. Ohne besonderen Grund kann eine Bank jemandem, dessen Konto gepfändet wurde, allerdings nicht kündigen.

Warnsignal P-Konto-Wunsch

Um herauszufinden, wozu das führt, braucht man sich nur die zahlreichen Kommentare auf Informationsseiten zum Pfändungsschutzkonto ansehen. In Deutschland hat jeder Bürger ein Anrecht auf die Umwandlung eines Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto (P-Konto), dass ihm auch im Pfändungsfall eine gewisse finanzielle Mindestausstattung zum Überleben sowie die Fähigkeit zum Zahlungsverkehr erhält.

Doch versuchen Sie einmal, von ihrem Recht Gebrauch zu machen! Zahlreiche Kunden mussten dabei feststellen, dass Sie von ihrer Bank plötzlich wie Dreck behandelt wurden. Einschnitte bei den Leistungen, Sondergebühren, Verzögerungen und Ausflüchte sind dabei noch die kleineren Probleme. Lügen bezüglich der rechtlichen Lage, eine verächtliche Behandlung und Drohungen kommen ebenso vor.

Kreditinstitute versuchen Kunden abzuschrecken, die in die Situation einer Kontopfändung kommen könnten. Ein Hang zum Verschulden ist dabei jedoch kein Kriterium, schließlich sind Schuldner die besten Bankkunden. Offenbar gilt vielen Geldinstituten als hinreichendes Warnzeichen, wenn ein Bürger an sein Recht auf Pfändungsschutz denkt. In ihren Augen macht dieser Gedanke den Unterschied zwischen König und Unberührbarem aus.

Die Tragik der guten Tat

Warum verhalten sich Banken so unfreundlich gegenüber Menschen mit finanziellen Schwierigkeiten – bis hin zur Beugung geltenden Rechts? Treibt die Bearbeitung der Kontopfändungen einer kleinen Kundengruppe ein großes Kreditinstitut in den Ruin? Das sicherlich nicht. Doch was geschähe, wenn sich die anständige Behandlung von Überschuldeten herumspräche?

Wenn ein Bank überschuldete Bürger besser behandelt, als andere Institute es tun, dann zieht das Menschen mit einer Schuldenproblematik an. Zum Magneten für Kunden zu werden, die ihr mehr Kosten als Einnahmen bescheren, kann sich tatsächlich keine Bank leisten. Dies würde letztendlich auch die Arbeitsplätze der Mitarbeiter gefährden, wodurch sich womöglich die Bereitschaft so vieler Bankangestellter zur unwürdigen Behandlung ihrer Mitmenschen erklären lässt.

Zwar gibt es spezialisierte Geldinstitute, die offensiv um überschuldete Bürger werben. Allerdings lassen sich diese ihre Dienste mit wahrhaft königlichen Gebühren entlohnen, die dem Kunden dann automatisch vom pfändungsfreien, existenzsichernden Betrag abgezogen werden. Da diese Spezialanbieter unabhängig vom Vorliegen einer Pfändung Wuchergebühren verlangen, verstößt dieses Gebaren wohl nicht gegen das Verbot, dem Kunden Pfändungskosten in Rechnung zu stellen.

Lösung gesucht

Ich fürchte, durch Zwangsmaßnahmen gegen Banken wird man der miesen Behandlung oder Abzocke von Überschuldeten nicht effektiv begegnen können. Zudem sind hier Sanktionen gegen die Banken nicht fair: Abgesehen von Fällen, bei denen Menschen zu unsinniger Verschuldung ermutigt wurden, tragen die Geldinstitute oft keine Schuld an der Überschuldung der Kunden.

Meine Idee wäre, die Bearbeitungskosten für Kontopfändungen durch den Staat zu begleichen, anstatt sie der Bank aufzuladen. Durch diese Maßnahme wären überschuldete Kunden für Banken weniger unangenehm. Zwar brächte dies eine Belastung für den Steuerzahler, doch dieser trägt die Kosten auch heute schon, nämlich als Bankkunde über Gebühren oder indirekt über niedrigere Zinsen auf Sparguthaben.

Am besten ist natürlich, der Überschuldung vorzubeugen. Dazu könnte finanzielle Bildung in der Schule beitragen, die junge Menschen auch gegen ominöse Produkte wie Ferien oder das Zweithandy auf Kredit immunisiert. Daneben braucht es aber Antworten für Menschen, die bereits im Schlamassel sitzen.

Was halten Sie in diesem Sinne von der Idee, Banken die durch Kontopfändungen entstehenden Kosten zu ersetzen? Welche Alternativen fallen Ihnen ein?