August Höpfner: Perleberger Reimchronik

69. Der große Churfürst erlaubt die Errichtung einer Nebenschenke in P. Neujahr 1686.

Gut bestand des Rathes Keller,
Dauernd hielt er sich im Flor,
Fremdes Bier und Muskateller
Floß noch immer wie zuvor.

Und der Keller ward dem Rathe
Ein erwünschter, reicher Schacht:
Wie das Elend wuchs im Staate,
Also wuchs die Kellerpacht.

Doch Hans Kraner sprach: „Ich sehe,
Daß man trinkt am meisten hier
Nicht den Broyhan aus der Nähe,
Aber Wein und fremdes Bier.

„Seh auch, daß in diesen Tagen
Man nicht besser fahren kann,
Leget man dem Wohlbehagen
Eine neue Schenke an.“ —

Und er bat alsbald den Fürsten:
„Gieb mir frei, daß ohne Scheu
Ich den Gästen, so da dürsten,
Auch darf zapfen fremd Gebräu.“

Für gewissen Zins erlaubte
Das der Churfürst gnädiglich,
Doch der Rath, der schwerberaubte,
Hu, der Rath entsetzte sich.

„Wer wird unsern Keller pachten
Bei der schweren Concurrenz?
Leiden doch in Fülle brachten
Schon uns Krieg und Pestilenz.

„Gnäd’ger Herr, die Nebenschenke
Bringt uns gänzlich zum Ruin.
Deiner Gnade Sonne lenke
Freundlich auf uns Arme hin!

„Einmal brachtest die Accise
Du uns dar zum Weihnachtsfest,
Jetzt zu Neujahr giebst durch diese
Nebenschenk’ Du uns den Rest.“

Half kein Bitten, half kein Klagen.
„Glaub’, daß Euch es schlimm mag gehn,
Doch Ich muß in diesen Tagen
Auch auf jeden Dreier sehn!“ —

„Hört der Herr nicht unsre Bitte,
Ei, so sei’n wir obstinat!
Geht der Churfürst eigne Schritte,
Nun, so geh sie auch der Rath.

„Sei verfehmt aus unserm Bunde,
Daß uns nie sein Schicksal rührt,
Wer auch einmal nur zum Munde
Eine Kanne Kraners führt.“ —

(Die Nebenschenke kam wegen Mangels an Gästen nicht recht auf.)