66. In der alten Apotheke.
He, Michel, schenke ein
Ein Gläschen Branntewein,
Daß der geplagte Bürgersmann
Des Lebens Noth ersäufen kann.
He, Michel, schenke ein!
Wie schlimm ist unsre Zeit!
Wo wohnt Gerechtigkeit?
Wozu den Groschen sparen noch?
Der Executor holt ihn doch.
Wie schlimm ist unsre Zeit!
Ist das ein Regiment!
Contribution ohn’ End’;
Contribution bei Stadt und Land;
Das Letzte reißt uns aus der Hand
Das harte Regiment.
Und hier die hohen Herrn
Sie sorgen viel und gern,
Doch aber für sich selber blos;
Auf uns läßt sie die Hunde los,
Die Schaar der hohen Herrn.
Gleich immer sind sie da
Cum vehementia!
Die Falschheit herrschet in der Welt.
Steht Rede uns; wo bleibt das Geld,
Vom Rath Ihr Großen da?
He, Michel, schenke ein!
Es leb’ der Branntewein.
Er brennt und kratzt wohl etwas sehr,
Contribution, die kratzt noch mehr;
Drum schenk’ noch Einen ein.
(Die alte Apotheke war zu einer Kneipe geworden, in welcher sich die Bürgerschaft besonders dann zu versammeln pflegte, wenn es gegen den Rath zu kämpfen galt. — Die Contribution wurde von den Immediatstädten und ihren Dörfern zum Besten des Staats und der Stadt aufgebracht; die Vertheilung der Last aber war ungerecht. Vornehme, z. B. gewesene Rathmannen wurden gar nicht oder nur sehr gering zur Bezahlung herangezogen, auch die Mühlen contributirten nicht. — Außerdem benutzte der Rath diese Steuer, das anzuschaffen, wozu er andere Einnahme benutzen sollte, wie Stadtpferde, Stiefel für Stadtdiener etc. — Darum die verzweifelte Wuth unter den Bürgern. — Die Contribution wurde, wenn nöthig, durch Militär auf executorischem Wege geholt.)