August Höpfner: Perleberger Reimchronik

63. Statuta civitatis Perlebergensis.

Längst gesetzt sind die Statuten,
Unsrer Stadt und Dir zum Heile,
Zeigen Dir den Weg zum Guten,
Ordnen der Verwaltung Theile.
Was bewährt sich bei den Alten,
Unverändert ist’s erhalten,
Und was anders wollt’ das Heute,
Setzten neu des Rathes Leute.
Schaue die Statuten an,
Nimm sie ein und halt’ sie dann,
Weil sie gut und dienlich sind
Jedem Perleberger Kind.

1. Stadtordnung.

Sobald zum Sturm die Glocke geht,
Jedweder auf dem Marktplatz steht;
Da thut er nach des Rathes Rath,
Weil sonsten er den Schaden hat. —
Dem Dieb geschieht und Bösewicht
Vom Rath kein Gunst und Gnade nicht. —
Ein Quell von Sünd’ und Aergerniß
Ist Branntwein wahrlich und gewiß;
In Branntweinsschenken aber find’t
Die Herberg allerlei Gesind.
Nun heben Wir die Schenken auf;
Wer saufen will zu Haus, der sauf’. —
Kein Uebelreden ist erlaubt
Auf Fürsten oder Herren Haupt;
Kein Schimpf auf Pred’ger oder Rath,
Auf Fraun und Jungfern Unsrer Stadt;
Und wer sein Maul nicht zügeln kann,
Den sehn Wir nach Vermögen an. —
Wir wollen keine Mummerei
Bei Tag wie Nacht, und kein Geschrei.
Wer lärmt im Ringe Unsres Staats,
Der soll nicht sicher sein des Raths. —
Zehn Mark zur Strafe zahlet aus,
Wer baut an Scheune oder Haus,
Und hat zuvor nicht nachgefragt,
Ob das dem Rathe auch behagt. —
Zuletzt noch sei Euch dies verkünd’t:
Thut ab die Perleberger Sünd’,
Und zahlet stets den Schoß zur Frist,
Wenn er dem Rathhaus fällig ist. —

2. Kirchenordnung.

Laßt Euch kein fluchend Wort entgehn!
Wer flucht, fürwahr! den Schelmen, den — —!
Wer schwört und lästert, denk’ als Christ,
Daß noch ein Gott im Himmel ist. —
Den Sonntag feiert nach Gebot;
Doch wenn ehrhaftig ist die Noth,
Sieht Pastors Huld am Feiertag
Auf Bitten Euch die Arbeit nach.
Und haltet Euch mit Weib und Kind
Zur Kirch’, und schickt auch das Gesind. —
Und vor dem Thor, auf Markt und Gassen
Soll sich nicht Einer blicken lassen,
Indeß zu Rede und Gebet
Der Pred’ger auf der Kanzel steht;
Soll sitzen nicht bei Bier und Wein,
Er tränk’ die Hölle sich hinein! —
Die Perleberger Unart meid’:
Zur Kirche komm’ zu rechter Zeit,
Und geh’ nicht eher Deinen Gang,
Als bis vorbei Gebet und Sang. —

3. Feld- und Gartenordnung.

Wer pflüget oder gräbt sein Feld,
Beacht’ die Grenze, so gestellt;
Wer Andern abpflügt ihren Plan,
Zwei Mark bezahlet Uns der Mann;
Doch kommt er wohl dereinsten dort
Für solche Sünd’ so leicht nicht fort. —
Im Rostock aus gemeiner Weide
Gewinne Keiner Gras und Korn;
Er schädigt dadurch Unsre Haide,
Und zahlt drei Mark bei Unserm Zorn. —
Der Dieb in Garten oder Feld
Am Thor in’s Eisen wird gestellt;
Er nimmt geduldig noch darauf,
Was ihm bestimmt des Rechtes Lauf. —
Wer Gras für Andre übrig hat,
Verkauft es Bürgern Unsrer Stadt;
Doch läßt er’s an die Dörfer kommen,
Wird er in drei Mark Straf’ genommen. —
Das Rathskorn dient der Stadt zum Nutz,
Ist ihr in trüber Zeit ein Schutz;
Wer Rathskorn auf die Dörfer schafft,
Bezahlt drei Mark nach Rechtes Kraft.
Denn Keiner eigne Kinder kränkt,
Weil er für fremde sorgt und denkt. —
Und schneide nicht im Rostock Rohr,
Du hab’st vom Rath Befehl zuvor;
Auf Deiner Wiese thu’s mit Grund.
Ein Schock besteht aus sechzig Bund;
So stark und rund sei solch ein Ding,
Wie das am Rathhaus weist der Ring.

(Rostock oder Rost war damals mit Holz bestanden und diente zugleich zur Weide. Am Rathhaus hing ein Ring von Eisen, der die Stärke der Rohrbunde nachwies, wie auch ein Dolch, nach welchem die Weite der Netzmaschen bestimmt wurde.)

4. Viehordnung.

Wird Dir die Kuhhüt’ angesagt,
So schicke eine starke Magd,
Und steht Dir’s etwa anders an,
So schicke einen „bidarfen“ Mann.
Wer Pferde jagt auf Weideland,
Der halte sie bei Zaum und Band;
Doch zügelt er nicht ihren Lauf,
Er kommt für jeden Schaden auf. —
Du sollst nicht Gras und „Palmen“ mähn,
Wo auf den Feldern Hocken stehn,
Weil durch das Thor „Gelegenheit
Schon Mancher kam in ew’ges Leid.
Und schneide ab dem stöß’gen Vieh
Die Hörner, die ihm Gott verlieh. —

5. Holz- und Mastordnung.

An Unsrer Landwehr haut kein Holz,
Denn sie ist Unser Schutz und Stolz,
Und ob „der Stutzen“ schwach, ob stark,
Er kostet jedes Mal drei Mark. —
Bucheckern sammle Niemand ein,
Denn das besorgen Unsre Schwein’. —
Wer Holz sich sucht und Zacken nimmt,
Der sei vom Rath dazu bestimmt;
Wer Bäume aus dem Walde raubt,
Die strenge Straf’ dem schuldgen Haupt! —
So nehm’ sich männiglich in Acht,
Denn Unser Holzvoigt steht und wacht.
Ihm reicht das Hausland jedes Jahr
Zum Solde einen Schilling dar.

6. Hausordnung.

Wer braut und backt vor Mitternacht,
Wer Licht und Feuer nicht bewacht,
Und so gefährdet Unsre Stadt,
Bezahlt drei Mark dem weisen Rath. —
Auf Deine Gäste siehe fein,
Und steh für ihre Thaten ein,
Denn mit drei Marken straft an Dir
Ihr Uebelthun der Rath allhier.
Der Bürger Harnisch hab’ und Wehr
Zu Schutz bei bösem Ungefähr,
Und wer verkaufen wird sein Haus,
Nimmt Wehr und Harnisch nicht heraus. —
Und wenn dem Stadtkreis dräuet Noth,
Befohlen wird ein Aufgebot,
Soll’n Wittwen auch ’nen tücht’gen Mann
Mit Wehr für sich im Felde h’an. —
Mit gutem Grund das Sprichwort geht:
„Des Hutmanns Haus gar lange steht!“ —
Wer Korn und Ranken hält im Haus,
Und drischt wohl gar im Hause aus,
Bezahlt drei Mark unweigerlich,
Wonach zu richten männiglich. —
Daß Keiner vor der Thür den Weg
Mit Stroh und Streusel mehr beleg’!
Er wisse denn, daß dieser Mist
Schier eine Mark zu theuer ist. —

7. Kaufordnung.

Dem Nächsten pfusch nicht in’s Gewerb,
’s Ist sein Verderb und Stadtverderb,
Und Krämer, Höker, Schlächter wandern
Dem Elend dadurch zu vor Andern. —
Und haltet recht Gewicht und Maß,
Sonst bringet Schimpf und Schande das;
Mit unsrer Marke ist versehn,
Wonach der Handel soll geschehn. —
Nicht führet fremdes Bier und Wein,
Das Recht gebührt dem Rath allein,
Und wißt, daß drob Ihr allezeit
Ihm mit drei Mark verfallen seid. —
Und wenn von Huf’ und Ackerland
Du Andern giebst ein Theil als Pfand,
Wenn den Besitz verkaufest Du,
So hab’ vom Rath Consens dazu.
Hast Du darum gebeten nicht,
So ist der Handel ohn’ Gewicht,
Und macht die Strafe allemal
Zehn Marken aus in jedem Fall. —
Daß Keiner vor die Thore geh’
Und Kaufgelegenheit erseh!
Wir strafen den, der so agirt,
Wenn er durch Eid sich nicht purgirt. —
Wenn Jahrmarkt oder Kaufschlag fällt,
Daß Keiner feil die Waare hält,
Bevor die rechte Festesfreud’
Geweihet ward durch Thurmgeläut! —
Zum Letzten hört noch dieses auch:
Thut ab den Perleberger Brauch!
Nicht steigt den Händlern auf die Wagen
Und reißet Korb und Tabel auf!
Wir müssen Solches untersagen
Bei einer Mark für jeden Kauf!

8. Tagelöhner- und Dienstbotenordnung.

Laßt jedem Bürger sein Gesind,
Füllt nicht der Magd den Kopf mit Wind. —
Ein Groschen ist das Tagelohn,
Und Keiner weiche ab davon;
Und giebst Du mehr noch oder Bier,
Die Güte rächen Wir an Dir! —
Der Zimmrer nehme nicht vom Bau
Die Spähne mit für Haus und Frau. —
Wer seinen Gottespfennig nahm,
Der soll auch dienen lobesam;
Verschmäht er aber Dienst und Pflicht,
So bleibet er im Stadtring nicht. —
Will eine Magd durch Näh’n und Spinnen
Hier ihren Unterhalt gewinnen,
Und setzt sich etwa heimlich ein,
Die soll des Raths nicht sicher sein.

(Gottespfennig = Miethsgeld.)

9. Feuerordnung.

Auf Licht und Feuer habet Acht,
Und bei dem Darr’n des Malzes wacht.
Der Schmied auf seine Essen seh,
Der Bäcker nicht vom Ofen geh,
Den Schornstein fege wöchentlich
Und Feuerstätten männiglich.
Und schwingt bei Tage Hanf und Flachs,
Damit der Stadt kein Schad’ erwachs. —
Wer seine Büchse gerne hat,
Vermeid’ das Schießen in der Stadt. —
Wer Feuer merkt, soll Feuer schrein,
Und soll da kein Verduffen sein. —
Zum Feuer kommt in raschem Schritt,
Bringt Eimer oder Leitern mit;
Brauwasser aber unverzagt
Besorge jede Brauermagd. —
Wer bei dem Löschen kommt zu Schad’,
Dem hilft nach Kräften auf der Rath.
Wer aber stiehlt in Feuersnoth,
Ist doppelt schuldig. — Gnad’ ihm Gott!

10. Gasterei- und Kleiderordnung.

Gemeinen Mannes Begräbniß sei
Von Unkost frei und Gasterei. —
Es richte nach Geburt und Stand
Jedweder Kleidung und Gewand;
Wer Sammt und Seide zeigt der Stadt,
Bedenke, ob er’s dazu hat,
Dieweil ein solcher Stadtgenoß
Fortan muß zahlen höhern Schoß. —
Der in den Eh’stand denkt zu gehn,
Der mög’ in seine Kasse sehn,
Und halt nicht am Verlobungstag
Schon Tanz und großes Festgelag. —
Hat er geladen vierzig Paar
Des Volkes für den Traualtar,
Und zwanzig Paar der jungen Leut’,
Und, weil die Freundschaft das gebeut,
Von auswärts Alle, die ihm nah’,
So sind genug zur Hochzeit da.
Und würde er darüber gehn,
So müßte er Uns Rede stehn. —
Bei Kindertaufen gleicher Weis’
Sei’s auch gehalten still und leis;
Sind zehn Personen da zum Mahl,
So ist erreicht die höchste Zahl.
Wer wen’ger ladet, wen’ger thut,
Dem ist ist der Rath besonders gut

Und endlich sei Euch dies verkünd’t:
Thut ab die Perleberger Sünd’!
Es soll das Brautpaar pünktlich sein,
Und stell’ beim Schlag zur Trau sich ein.
Und ist’s nicht da beim Glockenschlag,
Wird’s nicht getraut mehr diesen Tag!

(Die Stadtstatuten stammen aus verschiedenen Zeiten; die Gasterei- und Kleiderordnung z. B. aus der Regierungszeit Johann Georges; andere Ordnungen sind viel älter. — In der Form, in welcher das Stadtarchiv die Statuten besitzt, sind sie — der Sprache nach zu urtheilen — im 17. Jahrhundert erlassen.)