56. Aus dem dreißigjährigen Kriege.
a. Im Winter 1627—28.
Es dringen auf den Dänen ein
Der Tilly und der Wallenstein;
Nun ist der deutsche Norden
Ein Kriegstheater worden.
Friedländers Fahnen lustig wehn,
Denn Mecklenburg ward ihm zu Lehn;
Um Mecklenburg im Bogen
Erbrausen Völkerwogen.
Ade, ade denn, ruh’ge Zeit!
Nun, Perleberger, seid bereit,
Die Schaaren zu empfangen,
Zu stillen ihr Verlangen.
„Hollah, Du Rath! besorg’ Quartier!
Und weiche Betten lieben wir!
Armire die Rekruten,
Die zu dem Heere fluthen.
„Hollah! wir leben nicht vom Wind!
Nur Korn und Fleisch und Bier geschwind,
Und Geld, das Heer zu lohnen,
Wenn wir Euch sollen schonen.“
Und ziehn die Regimenter fort,
So kommen neue in den Ort,
Erpressen, rauben, wüthen
Und knicken volle Blüthen.
Da saß der Rath bei Tag und Nacht
In Arbeitslast auf hoher Wacht,
Und hat zu allen Pflichten
Die Herzen aufzurichten.
„Ach, Bürger, ist die Stadt Euch werth,
Und hängt Ihr noch an Hof und Herd,
O tragt herbei, was Euer,
Ist Eure Stadt Euch theuer!“ —
b. Die Rationen.
„Pro Tag gehört dem Corporal,
Das merket ein für allemal,
Vier Pfund an Fleisch, an Brode vier,
Vier Maß an Bier.
„Gefreiten gebt statt vier Ihr drei,
Und dem gemeinen Knechte zwei;
An Fleisch und Brod und Bier je zwei,
Es bleibt dabei!“ —
Die Bürger sprechen zornig: „Wie?
Zu hoch für uns, zu viel für sie!
O weiser Rath, o ändre das!
Das wäre was!“ —
„Wir baten längst um Mildrung schon,
Versuchten es in jedem Ton,
Doch wir errangen keinen Sieg.
Im Land ist Krieg!“ —
c. Neue Noth.
Es sitzt der Rath auf hoher Wacht,
Wird Alles vor den Rath gebracht,
Die schwere Fordrung wie die Noth.
Der Bürger klagt, der Krieger droht.
Der Fähnrich wird des Wirths Barbar,
Der Leutnant droht der Stadt Gefahr,
Der Oberstleutnant aber schreit
Um Liefrung, die Unmöglichkeit.
Da spricht der Rath: „Uns wird so heiß!
Wie’s enden mag, wer weiß, wer weiß!
Und ärger wird’s mit jedem Tag;
Wer weiß, wer weiß, wie’s enden mag!
„Ob Capital, ob Zins erhält,
Wer einst auf Briefe lieh sein Geld?
Drum, liebe Bürger, zahl’ fortan
Nach seinem Beutel Jedermann.“ —
d. Dr. Rhobero schreibt an Wallenstein. (1. August 1629.)
„O gnäd’ger Fürst! die wir zum dritten Male
Das Glück erlangt, daß Du bei uns logirst,
Wir grüßen Dich in Deiner Hoheit Strahle!
O trügen Dir wir zu in voller Schale
Des Landes Reichthum, wie Du meritirst!
Nun sieh den guten Willen an in Gnaden,
Doch mehr zu thun, sind wir zu schwer beladen. —
„Der Herr sei mit Dir, wolle Freud’ Dir spenden,
Streitbarer Held, Sein Name schütze Dich!
Vom Heiligthum woll’ Dir er Hülfe senden,
Und was Dein Herz begehrt, erfülle sich.
Es müsse, die Dich lieben, wohlergehen;
In Deinen Mauern müsse Freude sein!
Es ist auch unsrer Herzen Wunsch und Flehen,
Daß einst Du gehst in Gottes Himmel ein.
O lieber Jesus, gieb es, Deinem Namen
Zu einem ew’gen Lob und Preise! Amen! —
„O gnäd’ger Fürst! o laß uns Arme hoffen,
Die wir durch stete Märsche hart getroffen,
Die wir durch schwere Liefrung sehr gelitten,
Daß Du erhörest unser fleh’ndlich Bitten,
Und wollest uns die großen Lasten mindern
Und die Contributiones gnädig lindern!
Vor Christi Stuhle wollen wir’s bekennen,
Dich rühmlich unsern Schutz in Nöthen nennen,
Und Gott im Himmel hat der Gnade Acht,
Als ob ihm selbst sie wäre dargebracht;
Er wird mit ew’ger Gloria Dich zieren,
Dir Glück und Herrlichkeit retribuiren!“ —
Zu solchem Schreiben reicht die Stadt dem Fürsten
Viel Wein und Bier, daß Niemand möge dürsten,
Auch einen Ochsen bringt sie opfernd dar. —
Es blieb die Lage, wie sie eben war. —
e. Erpressung der Contribution.
„Bezahlt das Geld, was Wir Euch aufgetragen,
Bezahlt es vierzehn Tage vor der Frist;
Ihr sollt das Vieh nicht auf die Weide jagen,
Bevor nicht jeder Deut berichtigt ist.
„Ihr hättet nichts? und heißet Perleberger?
Dieweil Ihr Perlen bergt, doch offenbar!
Da Ihr Euch weigert, treiben Wir es ärger:
Man nehm’ dem Rathe seine Rinderschaar.
„Ihr murrt? Im Rathhaus bleibt Ihr unter Wache! —
Der Churfürst, sagt Ihr, gab Euch Amt und Pflicht?
Beschafft uns Geld, nur das ist Eure Sache;
Der Brandenburger Churfürst schert Uns nicht.“ —
Der Bürger treibt die Heerden doch zur Weide! —
„Die Thore schließt und klemmt die Thiere todt!“ —
Dreihundert Häupter traf’s, der Stadt zu Leide.
So war der schweren Zeiten schwere Noth.
f. Die Sünde und die Drohung.
So Mancher sah das Zorngericht,
Das drohend zog, noch immer nicht.
Und suchte noch mit frevlem Muth
Bereicherung an fremdem Gut.
„Croat, die Löffel gieb nur her,
Sie sind Dir auf dem Marsch zu schwer.
„Ich schenke diesen Gulden Dir
Und zapfe Dir von diesem Bier.“ —
„Pandur, die Kette wäre Dein?
Ich fürcht’, sie wird gestohlen sein.
„Wir machen’s still! ich heb’ sie auf.
Was forderst Du, daß ich sie kauf’?“ —
Der Herrgott sah solch schmachvoll Werk:
„Wie? das in Meinem Perleberg?
„Ihr wollt die eignen Wege gehn;
So geht, — Ihr mögt die Folgen sehn!
„Doch drohen will Ich noch einmal
Und ernstlich durch des Blitzes Strahl.“
Da ward zur Nacht der lichte Tag,
Hernieder brauste Schlag um Schlag.
Des Blitzes gier’ge Flamme fraß
Den Kirchthurm von Sankt Nicolas.
In Sankt Jacoby schlug es ein,
Zerrissen lag der Taufe Stein.
Des Thurmes mächt’ge Spitze sank,
Daß sie der Kirche Dach durchdrang.
„Beachtet meine Donnerstimm’,
Sonst schützt Euch nichts vor Meinem Grimm!“
(In der Plünderpredigt des Pfarrers van der Linden wird der schmähliche Kauf von dem durch die Soldaten geraubten Gut besonders hervorgehoben. — Die Zerstörungen durch den Blitz geschahen 1632.)
g. Die große Plünderung. (15. November 1638.)
Es bracht’ der Herbst nur wen’ge Korngebinde,
Kein Keller ward und keine Scheune voll,
Das schnöde Unkraut wogte in dem Winde.
Und schwere Steuer täglich geben soll
Die bleiche Noth. Es ruft mit Kolbenschlägen
Bald Schwed’, bald Kaiserlicher um den Zoll.
Kein Angstschrei mag des Kriegers Herz bewegen.
„Wir leben nicht vom Winde; schaffet Brot
Und Hühner, Butter, Eier, uns zu pflegen!“
Wer malt der Tage ungeheure Noth!
„Wir können weiter nicht! Es geht zu Ende!
Erwarten wir, was Gott verhängt. O Gott!“
Der Bürgermeister bittet, ringt die Hände:
„Verschonung uns!“ — Vergebens ist sein Flehn,
Es fehlt der Arm, der solchen Jammer wende.
Der Schwede kommt, um selber nah zu sehn.
Die zwanzig Wispel Korns, die er gefunden,
Die hundert Thaler heißt er mit sich gehn.
Des Kaisers Truppen reißen neue Wunden,
Sie plündern auch den armen Handelsmann,
Und neues Volk ist da nach kurzen Stunden.
Den Feuerbrand in Händen strengt sich’s an,
In engen Winkeln Schätze zu entdecken,
Und auf den Dächern flammt der rothe Hahn.
So geht’s von Angst zu Angst, von Schreck zu Schrecken.
In ihrer Kammer schreit die arme Maid
Es half ihr nicht, sich ängstlich zu verstecken.
Muß Alles fallen in der Schreckenszeit;
Sie schonen nicht des Bäumchens in dem Garten,
Und nicht des Domes, der dem Herrn geweiht. —
Ab zieht das Heer. „Ach dürfen wir erwarten,
O Gott im Himmel, jetzt befreit zu sein?
Verschwunden sind Musketen und Standarten.
Auf! richten wir zu besserm Schutz uns ein!“
Doch als sie eine Brücke fester bauen,
Erhebt sich an der andern wüstes Schrein.
Ach, welch ein Unheil die Bestürzten schauen!
Ein Schwedenhauf gewann das schwere Thor,
Und wüthet nun mit unerhörtem Grauen.
Nach Schätzen brüllt mit Ungestüm der Chor;
Mit Scorpionen wird die Stadt geschlagen,
Sie wird zerbrochen wie ein welkes Rohr.
Die viel geklagt, sie konnten nicht mehr klagen,
Die viel geweint, sie weinten nun nicht mehr.
„Fort, fort, wohin uns unsre Füße tragen!“
In Frost und Sturme durch die Felder quer
Entweichen sie, kaum deckt sie ein Gewand.
Da ward die Stadt, die einst geprangt so hehr,
Von schnöden Feinden Bettelberg genannt.
(Nach der Schlacht bei Wittstock im September 1636 wurden viele Verwundete nach Perleberg zur Heilung transportirt. In ihrem Gefolge kam die Pest hierher, die von 1636–1638 700 Menschen zum Opfer forderte, unter ihnen Superintendent Michaelis, Rector Neudorffer, Conrector Knövenagel, Tertianus Gottschalk. — — Die Geschichte der Plünderung Perlebergs wurde geschrieben durch den Bürgermeister Theodor Bake und den Kantor Freyer. Nach diesen Quellen ist sie dargestellt in der Broschüre: Der Denktag Perlebergs von Stappenbeck 1838. — Zum Andenken an die Plünderung wird alljährlich am Donnerstag nach Martini in P. der Denktag gefeiert.)