50. Schreiben der verordneten Gewerke an den Rath. (1616.)
„Wohlweise, ehrenfeste Herrn!
Das Recht ist unsers Strebens Kern;
Der Bürger Willen kennet Ihr:
Was unser ist, begehren wir.
„Auf fleißig Bitten habt zuletzt
Ihr einen Tag auch angesetzt,
Zu hören unser Was und Wie;
’s war Quasi modo geniti.
Doch schobt ihr weiter den Termin,
Ihr setztet auf Cantate ihn,
Dann auf Exaudi, Trinitatis
Zum Heile nostrae civitatis.
So lebten wir an Hoffnung reich,
Wir hofften Frieden und Vergleich,
Doch nicht das Kleinste ist geschehn.
Wir müssen, ach! verfallen sehn
Der Bürger Nahrung und Hantirung,
Das Rathhaus wie die Stadtregierung,
Die Thürme, Wälle, Mauern, Brücken,
Und Alles nur durch Eure Tücken.
Es predigt jeder Ort und Winkel
Von Euerm Geiz und hohen Dünkel.
So viel wir bitten auch, o Gott!
Ihr treibt mit uns nur Euern Spott,
Wie die Philister auch vor Jahren
Mit Simson, wenn sie lustig waren. —
„Kein Bürger mehr wird respectiret,
Daß er die Kasse revidiret.
Es respectiren die Regenten
Sich selbst nur noch als Mühlenherrn,
Sofern sie zahlen keine Renten,
Und mit der Kornpacht bleiben fern.
Die Böden in dem Hospital,
Die einst mit eitel Korn belegt,
Durch Euern Geiz sind nun sie kahl
Und öd’ und leer wie ausgefegt.
„Laßt, weise Herren, Euch ermahnen,
Daß Ihr beachtet unser Recht,
Und geht auf der Verträge Bahnen,
Die einst geschlossen treu und echt.
Hört auf, Euch selbst nur zu bedenken
Und durch Bedrückung uns zu kränken,
Sonst werden wir executiren,
Wozu uns die Gemeinde drängt,
Und keine Rechnung mehr quittiren,
Die Ihr uns vorzulegen denkt. —
Es zwingt die Noth uns, Euer Treiben
Euch einmal Schwarz auf Weiß zu schreiben,
Denn mündliche Verhörung hat
Bei Euch, Ihr Herrn, nicht Raum noch Statt!“ —
Der Rath besah das Schriftstück schnell:
„Das ist ja ein famos Libell!
Wer mag nur der Verfasser sein?
Ein ruinirtes Doctorlein? —
Sie wollen Uns nicht ferner stören
Zur Rechnungslegung; das ist gut.
Doch laßt Uns brechen ihren Muth,
Und einmal einzeln sie verhören.
Dann fällt der Löwenmantel nieder,
Und feige Esel sind sie wieder. —