48. Der Rathsbarbier. 1603.
In seiner engen Kammer wacht
Der edle Rathsbarbier;
Er schauet in die dunkle Nacht:
„So dunkel ward’s auch mir!
Ich, der Barbiere erster Mann,
Mit grimmem Leide seh ich an,
Daß Kunst und Fleiß nicht gelten!
„Ich war des Rathes Hülf’ bis heut,
Sein Schirm in Fahr und Noth,
Ich schützte ihn, als reiche Beut’
Sich hier geholt der Tod.
Ich half ihm immer auf die Bein’,
Und seh nach solchem Thun mit Pein,
Daß Alles war vergebens!
„Als erster Mann in meiner Kunst
Soll ich nicht gelten mehr;
Entkleidet bin ich nun der Gunst,
Ein Andrer tritt daher.
Ein Medicus, studirt, gelahrt,
Curiret nun auf seine Art,
Und ich muß ihm mich beugen!
„Mach ich den kranken Mann gesund,
Was will er weiter noch?
Und heile ich, wer todeswund,
Wozu den Doctor doch?
Ist die Gesundheit mehr noch werth,
Wenn ein Studirter sie bescheert
Aus Frankfurt an der Oder?
„Doch sei es, sei’s! Ein edler Sinn
Erhebt sich bald mit Kraft;
Er giebt sich nicht dem Unmuth hin,
Vergißt den Druck und schafft!
Es bleib’ mir dauernd ein Genuß:
„Ich, Rathsbarbier, war Medikus
Und war das Heil der Kranken!“ —
(Der Rathsbarbier Hans Herzweigk war der oberste Barbier; unter ihm stand der zweite, Meister Hans Reimer; unter diesem ein Arzt. — 1603 wird von dem Kreise der Medicus Dr. Johannes Diekart angenommen, und ihm Perleberg zur Residenz überwiesen. Er war dem Rathsbarbier übergeordnet. Wohl schon etwas früher wurde auch eine Apotheke in P. eingerichtet durch den Rath. Der Apotheker hieß Justus.)