26. Die Perleberger Sprache. 1472.
Der Churfürst schrieb den Landtag aus
Von wegen neuer Steuer;
Die Mahnung war ein Ruf zum Strauß,
Die brachte All’ ins Feuer.
„Ein neuer Zins? und auf das Bier?
Den weigern wir, verweigern wir!“
Der Churfürst rief, da half das nicht;
Auch Perleberg muß kommen,
Denn für die Prignitz hat’s die Pflicht
Zu stimmen, übernommen.
Die „Perleberger Sprache“ war
Drum ganz nothwendig offenbar.
Und bei der Sache Wichtigkeit
Muß es sich Weisung holen.
„Ihr Schwesterstädte, gebt Bescheid!
Der Herr hat uns befohlen.
Wie denket Ihr in dieser Sach’,
Daß wir es sprechen auf dem Tag?“ —
Und Pritzwalk sagte: „Unsre Stadt
Kann nicht mit Gulden prahlen;
Wenn unser Churfürst Schulden hat,
So mag er sie bezahlen.
Uns selber drückt genug der Schuh,
Wir stimmen nicht der Steuer zu.“
Und Kyritz sprach: „Bei meiner Ehr’!
Ich kenn’s und will nur sagen:
Die Ziese macht das Bier zu schwer
Für einen märk’schen Magen.
Berauschend Kraut! Das darf nicht sein!
Für uns ein ganz entschiednes Nein!“ —
Und Havelberg war grimmig schier:
„Der Bischof und die Pfaffen
Die sitzen so zur Last uns hier,
Daß wir uns kaum erraffen.
Und käm’ ein Zöllner her noch gar,
So nehm’ er seines Lebens wahr!“ —
So gab’s Bescheide mannigfalt,
Verneinend waren alle;
Auch Perleberg ersahe bald,
Es steh in gleichem Falle;
Beim besten Willen sei zur Zeit
Ein neuer Zins — Unmöglichkeit.
Der Bürgermeister stieg zu Roß;
Des Schuldbuchs Folianten,
Da mit ihm zog ein reis’ger Troß,
Empfahl er den Trabanten,
Und so gerüstet trat er dann
Die Reise auf den Landtag an.
Der Churfürst sprach entschieden gar
Vor Rittern, Herrn und Städten:
„Ich brauch’s, sonst würd’ Ich offenbar
Nicht also vor Euch treten.
Die Schulden macht’ ich für das Land,
Drum öffnet willig Eure Hand.
„Wenn Ich die Zies’ auf Bier bestimmt,
So muß Ich dazu sagen:
Weil Jeder seinen Humpen nimmt,
Hat Jeder mitzutragen;
Wer aber trinkt ein dreifach Maß,
Der kann wohl dreifach geben das.“ —
Und trotzig vor den Fürsten trat
Auf so entschiedne Rede
Gar manche schwergeplagte Stadt
Und sprach: „Wir zahlen Bede!
Wir sehen größre Last nicht ab;
Die Zeit ist schlecht, das Geld ist knapp.“ —
Und Perleberg erklärte so:
„Ich thue diese Sprache,
Daß keine Stadt der Prignitz froh
Ob solcher schweren Sache,
Denn Räuberei und Krieg und Brand
Hat schwer gehaust in unserm Land.
„Was Perleberg an sich betrifft,
So, gnäd’ger Churfürst, blicke
Auf dieses Schuldbuchs enge Schrift,
Die zeigt sein Mißgeschicke.
Es borgte, wo das Borgen ging,
Verschuldet ist’s im ganzen Ring.
„Denn da es liegt an Mecklenburg,
So hat es viel gestritten,
Hat viel die langen Jahr’ hindurch
Gerüstet und gelitten;
Der Marstall und das Söldnerheer,
Die Bauten, ach! das drückt zu sehr.
„Wir haben immer willig gern,
Und über Pflicht gegeben,
Und lassen für den gnäd’gen Herrn,
Wenn Gott gebeut, das Leben;
Doch neue Steuer dient uns nicht,
Wie dieser Hauf der Zahlen spricht.
„Drum —“ „Nun genug! Ich höre schon!
Für heute sei geschlossen —“
So sprach der Churfürst, und vom Thron
Erhob er sich verdrossen.
„Nein, diese Perleberger Sprach’
Verdirbt Mir schier den ganzen Tag!“ —
(Wenn die Bierziese auch für jetzt abgelehnt wurde, so bewilligten sie die Stände doch 1488 vorläufig auf sieben Jahre, und 1513 für immer. Die Ziese betrug à Tonne 12 Pf, wovon zwei Drittel der Landesherr, ein Drittel die Städte erhielten. 1521 kam auch noch ein Hufenschoß dazu.)