August Höpfner: Perleberger Reimchronik

21. Die Zerstörung der Winterfeldsburg zu Carwe. 1444.

„Du, Heine Winterfeld, sag an,
Was wars mit unserm Boten,
Daß Du den wehrlos stillen Mann
Zerbrochen und zerschroten?
Daß Du ihm nahmest Brief und Kleid?
Nun komm, sonst thut Dir’s wahrlich Leid,
Und stehe Perleberg Rede!“ —

Der Ritter Heine lacht dazu:
Sein Schloß hat dicke Mauern.
Er trinkt den sauern Wein in Ruh:
„Da könnt Ihr lange lauern! —
Was nimmt der Bürger sich heraus?
Ich glaube gar, das Volk wird kraus!
Mein Schloß das steht zu Carwe!“ —

Da sprach Herr Peter Dobbertzin,
Der war der Bürgermeister:
„Wir müssen hin und fangen ihn,
Er treibt es sonst noch dreister.
Ihr Bürger, auf! ihr Mannen, auf!
Und Pferd’ und Sturmgeräth zu Hauf! —
Der Heine will nicht hören.

„Die Donnerbüchsen, so geschafft
Wir neu aus unsern Kassen,
Die müssen wir in ihrer Kraft
Auch einmal wirken lassen.
Dieweil der theure Kauf geschehn,
Will man ein Probestücklein sehn,
Und Heine mag nicht hören.“ —

Umgürtet mit dem guten Schwert
Besteigt er seinen Schimmel;
Schon harr’n die Bürger wohlbewehrt,
Ein siegesfroh Gewimmel.
Den Kolben führet jede Zunft,
Und Kolben werden zur Vernunft
Den Heine sicher bringen.

„Ade, Ihr Wächter! Hütet gut
Und wahrt der Thore Pforten.
Der Räuber frecher Frevelmuth
Ist sichtbar aller Orten.
Wir machen einen kurzen Ritt
Und bringen Euch was Schönes mit:
Den Winterfeld, den Heine!“ —

Die wackern Schuster bringen Pech,
O Heine, laß Dich warnen!
Die Weber haben Weg und Steg
Umstellt mit starken Garnen.
Das Kneten ist der Bäcker Weis’,
Die Schlächter hacken gar mit Fleiß, —
Doch Heine mag nicht hören!

„Nun denn, wohlauf! es soll uns nicht
Dein Wall und Graben schrecken;
Nicht lang mehr soll Dich bösen Wicht
Die starke Mauer decken.
Die Donnerbüchsen fahrt heran,
Und legt die hohen Leitern an,
Und heizt ihm ein mit Feuer!“ —

Da geht das Bombardieren los
Mit Krach und Schlag und Blitzen;
Die Burg erbebt bei jedem Stoß,
Und alle Kugeln sitzen.
Ward eine Büchse abgebrannt,
Dann hat die andre man gewandt
Schon wieder neu geladen.

Da werfen auf die Böden sie
In grimmem Zorn das Feuer,
Da waten sie, da klettern sie,
Es brennen Stall und Scheuer.
Da brechen Heines Mannen aus,
Da wird’s ein Wüthen und ein Graus
Mit ungefügen Keulen.

Dem Heine wird zu groß die Gluth,
Auch will er sich beweisen,
Er tritt heraus und schwinget gut
Sein langes Schlachteneisen.
Doch eh er noch gar viel gethan,
Da packt ein fester Schmied ihn an
Und raubt ihm seine Waffe.

„Triumph, Triumph! Wir haben ihn!
Der Heine ist gefangen!
Wir bringen ihn, und Dobbertzin,
Nun laß den Heine hangen!“
„Ihr tapfern Leutchen, ruhet aus! —
Wir fällen unsern Spruch zu Haus,
Ein Richterspruch sei weise!

„Doch, Heine, das erst sollst Du sehn,
Wie wir Dein Schloß zerbrechen.
Es darf der Stadt kein Leid geschehn,
Es sei denn, daß wir’s rächen.
Nun drauf und dran und reißt’s zu Grund!
Dann vorwärts, daß zu guter Stund’
Wir sitzen bei den Unsern!“ —

Der Thürmer bläst von hoher Wacht:
Juchhei, juchhei, sie kommen!
Da freut sich Perleberg und lacht,
Doch Heinen will’s nicht frommen.
Und auf dem Schlosse festgemacht,
Beseufzt er sich bei Tag und Nacht:
„O diese Perleberger!“ —

(1444 ermahnte Churfürst Friedrich II. die Städte und Getreuen der Prignitz, Frieden zu halten und die Räuber zu richten. — Perleberg hielt Söldner, Reit- und Wagenknechte, Thorwächter und einen Thurmmann. Die (etwa 100) Söldner stellte die Stadt dem Fürsten zu seinen Kriegszügen. Kämpfe gegen Feinde der Stadt vollführten die Bürger, und die Glieder des Raths waren dann die Anführer.)