August Höpfner: Perleberger Reimchronik

15. Der Fürstentag zu Perleberg. 1399.

Herr Jobst von Mähren hatte die Mark als Kaiserpfand
Und wußt’ ihr nicht zu helfen von Fehden, Mord und Brand;
Da setzte den und jenen er als Verwalter hin;
Doch ändert nichts die Strenge, und nichts der milde Sinn.

Und in der Prignitz wüthet der Räuber Schaar zumeist,
Die Waaren sammt dem Kaufmann entführt am Tag sie dreist,
Sie zieht umher mit Würgen in Nachbars Landen gar;
So darf’s nicht länger bleiben, das ist wohl offenbar.

Nun war zur Zeit der König im fernen Schwedenreich
Vom Mecklenburger Lande der Herzog auch zugleich;
Er sahe an den Jammer, wollt’ thun ein frommes Werk,
Und lud die lieben Freunde zum Tag nach Perleberg.

Da ritten durch die Thore der Fürsten viel und Herrn,
Von Braunschweig, Pommern, Meißen, von nahe und von fern,
Auch schickte Abgesandte der mächt’ge Hansebund,
Der hatte für den Frieden gewiß den besten Grund.

Nun sprach der König Albrecht: „Drei Jahre sind es her,
Da tagten wir schon einmal zu starker Hülf’ und Wehr.
Doch was wir damals sagten und wirkten in dem Rath,
Es blieben leider! Worte, sie wuchsen nicht zur That.

„Wir haben kräft’ge Fäuste, wir schnallen Schwerter um,
Und dennoch geht in Jammern zu End’ das Säculum.
Wie? schaut der Mann des Schwertes die Räuber an in Ruh?
Auf, wer den Frieden liebet, er thu mit mir dazu!“ —

Herr Wilhelm drauf von Meißen: „Ich hab mir’s halt versucht,
Als ich die Mark verwaltet, und hab’ genug geflucht.
Die dort in Lenzen sitzen, die trieben’s gar zu schlimm;
Ich schrie sie an und drohte; sie lachten meinem Grimm.

„Das merkt’ ich wohl: mit Worten sind die nicht zu zerstreun;
Doch fehlten mir die Mittel, sie tüchtig abzubläun.
Was, sollt’ ich todt mich ärgern? Ich sprach zu Schwager Jobst:
Nun nimm die Mark Dir wieder; ich dank für solches Obst.“ —

Die Perleberger sagten: „Wir sind der Hanse Glied,
Und können auch wohl singen ein leidig Klagelied.
Drum, wenn Ihr Hülfe brauchet —“ Der Satz war noch nicht aus,
Da kam mit grimmem Wehruf ein Bote in das Haus.

„Herr Albrecht, gnäd’ger Herzog, von Parchim ritt ich fort;
Es liegen Deine Burgen gebrochen um den Ort;
Es liegt Dein Land verwüstet; o sieh uns Arme an!
O räch’ das Blut der Deinen! und Lenzen hat’s gethan.“ —

Aufsprang der Herzog Albrecht, aufsprangen allesammt
Und hoben ihre Schwerter und waren zornentflammt.
„Gen Lenzen laßt uns ziehen und strafen ihren Mord!“
Da gab die Sturmgeräthe Stadt Perleberg sofort.

Und als ein Heer beisammen, vor Lenzen zog es gleich,
Und Lenzen ward erobert nach blut’gem Schwertesstreich.
Es kämpften Hans und Dietrich, die Quitzows, wacker mit,
Vielleicht, daß sie noch hielten auf Recht und gute Sitt’.

„Ihr lieben Perleberger, wir sagen schönen Dank,
Da uns durch Eure Treue der Schlag so gut gelang.
O möcht’ die Zeit sich bessern, daß einen Fürstentag
Im neuen Säculo man in Ruhe halten mag.“ —

(Kaiser Siegesmund hatte die Mark an den Markgrafen Jobst von Mähren verpfändet; diesem war sie „ein Schwamm, den er ausdrückte, so oft er Geld brauchte“, doch die Verwaltung überließ er Anderen, da er den Muth verlor, den Fehden zu wehren. 1395 gab er sie seinem Schwager Wilhelm dem Einäugigen, Markgrafen von Meißen, und als dieser sie 1398 niederlegte, erhielt sie der greise Lippold von Bredow. — Die Quitzows waren eine lehnspflichtige Familie; ihr Stammsitz ist das Dorf Quitzow bei Perleberg. Kuno von Quitzow, der Vater Dietrichs und Johanns, wird als großer Kriegsmann genannt. Ihre Burgen erlangten sie durch Kauf oder Pfand, doch das Geld dazu erwarben sie durch Fehden und Raub. Mit Perleberg vertrugen sie sich gut.)