August Höpfner: Perleberger Reimchronik

12. Ludwig der Römer in Perleberg. 1353.

„Wir Schuster und wir Gerber sind worden eine Zunft.
Nun lasset solche Freundschaft uns brauchen mit Vernunft.
Kann unsre Stadt sich heben, sind alle Bürger da,
Drum auf! die Zeit ist günstig für neue Privilegia!“ —

Und sieh, als sie noch sprachen, da naht’ ein Bote sich:
„Es kommt der Wittelsbacher, der Markgraf Ludewig,
Will Huldigung empfangen und will Euch gnädig sein!“ —
„Hei, Frau, die Festtagskleider! und brenn mir schnell die Krause fein!“ —

Wohl schlug das Herz den Männern, weil noch vor kurzer Zeit
Dem Waldemar, dem falschen, sie ihren Dienst geweiht;
Doch hat der neue Markgraf ja Gnade zugesagt.
„O laßt uns nicht ermüden auf unsrer Privilegienjagd.“ —

Der Markgraf kam geritten auf hohem, welschem Roß;
Sie machten tiefen Bückling und führten ihn auf’s Schloß,
Sie schwuren rechte Huld’gung dem Wittelsbacher Herrn,
Da hat er ihre Kirchen gar reich beschenkt, und that es gern.

„Hab Dank, Du gnäd’ger Markgraf! Nun komm und lab Dich gut;
Wir haben Dir ein Frühstück gemacht in treuem Muth.
Nun trink von diesem Weine, gewachsen in der Mark,
Er ist wohl nicht sehr feurig, doch dafür prächtig scharf und stark.“

Ob nun das Weinjahr günstig, ob’s Höflichkeit vielleicht,
Genug, der edle Markgraf war nun zu Lob geneigt.
Die Bürger hörten’s schmunzelnd und wollten hören mehr:
„Herr Ludwig, Eines drücket uns treue Bürger gar so sehr!

„Dem Mecklenburger Grunde ist unsre Stadt zu nah;
Indeß wir ruhig schlafen, so sind die Feinde da.
In steter Sorge leben, das ist fürwahr nicht schön;
Erlaub, daß wir zur Veste das liebe Perleberg erhöhn!“ —

Der Markgraf trank und lachte. „Das Wachen greifet an;
Es schmeckt nicht Trank noch Speise, wenn man nicht ruhen kann.
Ihr wollt die Perlen bergen an einem sichern Ort,
So schafft die Stadt zur Veste, Ich geb Euch gern dazu mein Wort.“

„Du bist ein gnäd’ger Markgraf! O hör denn ferner dies:
Es dient wohl auch der Märker in Treuen Dir gewiß.
Ein märk’scher Diener kennet der Unsern Art und Brauch,
Drum schick uns keine Vögte aus Baiern! Das gewähre auch!“ —

Der Markgraf trank vom Humpen und sprach: „Ihr habet Recht!
Es sind an sich die Vögte schon kein beliebt Geschlecht;
Sollt keinen fremden haben; ich fürcht’, bei meiner Seel’!
Daß sonst Ihr geht mit Seufzen, wie in Aegypten Israel.“ —

„Hab Dank, hab Dank der Gnade! O Herr, verstoß uns nicht,
Wenn Deiner Prignitz Perle noch eine Bitte spricht.
Erbau hier keine Zwingburg in Deines Namens Macht;
Wir wollen selbst in Treue schon nehmen Stadt und Land in Acht!“

„Doch wißt Ihr, was Ihr thatet? Ihr dientet Waldemar,
Und habt uns Wittelsbacher verleugnet offenbar!
Wohl hatt’ Ich fest beschlossen, die Veste Euch zu baun,
Nun soll es nicht geschehen, dran mögt Ihr Meine Gnade schaun!“ —

„Hab Dank, daß zum Vergeben so gnädig Du bereit! —
Nun hat der Woldenberger beschenkt uns seiner Zeit,
Hat uns befreit vom Zolle; bestät’ge diesen Brief!“
Aufstand der Markgraf Ludwig, nach seinen Reis’gen bald er rief.

„O bleib, Herr Markgraf, bleibe und trink der Reben Saft!“ —
„Ihr habt bei diesem Stoffe Euch Rechts genug verschafft.
Sollt’ Ich so reiche Leute noch gar vom Zoll befrein,
Das wär’ fürwahr noch saurer, als dieser gar so saure Wein!“ —

„So leihe uns in Gnaden das oberste Gericht,
Daß Recht der Rath in Sachen der eignen Bürger spricht.“
„Das wäre!“ sprach der Markgraf. „Da ich das Reich regier’,
Wie könnt Ihr alle Quellen der Hülfe ganz verstopfen Mir?“ —

Er schwang sich auf den Falben und setzte fort den Lauf.
Die Bürger sprachen hoffend: „Der Reichthum hilft uns auf.
Wir wollen schon erkaufen, was er uns heut versagt;
Doch nun erst laßt uns nutzen, was wir errangen auf der Jagd.“ —

Sie bauten feste Thore und Thürme hoch und stark,
Und wohnten nun so sicher wie Einer in der Mark;
Dann nahmen sie vom Fürsten auch das Gericht in Pfand,
Und kauften von dem Zolle sich völlig frei mit reicher Hand.

(Das Regiment der Wittelsbacher in der Mark nach dem Aussterben der Anhaltiner mit Waldemar (1319) gefiel den Märkern namentlich der Vögte aus Baiern wegen nicht, so daß sie dem falschen Waldemar, der nach seiner Entlarvung als Müllergeselle der Woldenberger genannt wurde, huldigten. Der falsche Waldemar ertheilte 1348 Perleberg Zollbefreiungen. Als Kaiser Karl IV. 1349 aus dem Reichstage zu Nürnberg Waldemar für unecht erklärte, fiel Perleberg von ihm ab. 1350 eroberte Markgraf Ludwig die Mark gänzlich und trat sie 1352 an Ludwig den Römer und Otto, seine Brüder, ab. Ludwig der Römer besuchte Perleberg 1353. Das oberste Gericht verpfändete er dem Rath 1359, und die Zollfreiheiten bestätigte er 1364.)