August Höpfner: Perleberger Reimchronik

4. Perleberg erhält das Stadtrecht. (29. October 1239.)

Johannes hatte recht gesehn,
Als er den Finger gab;
Nun ließen sie mit heißem Flehn
Auch um die Hand nicht ab:
„Das Stadtrecht, Edler, uns verleih,
Und mach um rechten Zins uns frei!“ —

„Es ist doch eine böse Welt,“
So sprach er heimlich leis;
„Dies Völkchen thut, wie ihm gefällt,
Und fordert hohen Preis.
Nun flehen sie Mich wieder an:
Das Stadtrecht leihe uns, Johann!

„Und ach! Ich seh im Geist voraus,
Daß Wald und Wies’ und Feld,
Die Mühlen und das eigne Haus
Sie nicht zufriedenstellt.
Ach, endlich kommt der Tag wohl schier,
Da sie auch wollen sein wie Wir! ——“

Und als ihm der Gedanke kam,
Durchlief es ihn wie Frost,
Daß er den schweren Humpen nahm,
Zu laben sich am Most.
„Hu, endlich kommt wohl gar die Zeit, ——
Nur gut, wir sind noch nicht so weit!“ —

Und horch! da poltert’s unterm Thor;
Es steigen zu dem Herrn
Der Männer drei in’s Schloß empor,
Und bleiben stehn von fern.
„Du ludest uns auf diese Stund’,
Daß Dein Beschluß uns werde kund.“ —

„Es ist so!“ sprach Johann bedacht,
„Doch wahrlich, dies Begehr
Vor Mir, der Ich Euch schirm’ mit Macht,
Gefällt Mir gar nicht sehr.
Was schwänzelt Ihr um Mich herum?
Wozu das Privilegium?

„Warum begehret Ihr den Wald?
Verspürt Ihr Lust zur Jagd?
Das sag Ich ruhig Euch und kalt:
Die bleibet Euch versagt!
Des Holzes Pfennig bleibet Mein,
Er kann Euch nie erlassen sein.

„Ihr wollt zu eigen Feld und Wies’,
Die Ich Euch immer lieh.
Ei, da Ich Euch die Nutzung ließ,
Warum begehrt Ihr sie?
Ich sehe nimmer ein den Grund,
Daß Ihr Mich plaget Stund um Stund.“—

„O Herr, Dein Volk ist wohlgeschickt,
Und rüst’ger, fleiß’ger Art;
Du weißt ja, wie’s mit Sehnsucht blickt
Nach guter Handelsfahrt;
Doch Schutz und feste Freunde hat
Nur erst die anerkannte Stadt.“ —

„Wenn Mich auch Euer Fleiß erfreut,
Die Kundschaft wohnt Euch nah.
Euch treibt der Hochmuth nur, Ihr Leut’,
Zu sein, wie Andre da.
Wollt über Meine Schultern sehn
Und Eure eignen Wege gehn.“ —

„O, unsre Treue bleibet echt!
Beförd’re unser Blühn!
Das alte Kleid nur paßt nicht recht,
Es hindert Fleiß und Mühn;
Es raubt uns alle Luft zur Zeit;
Das Stadtrecht wär’ das rechte Kleid.“ —

Wohl war dem Herren hart die Nuß,
Indeß, was soll er thun?
„Gerardus und Worlevius,
So geht und reiset nun,
Erkundet von Salzwedels Rath,
Welch eignes Recht die Altstadt hat.“ —

Sie reisten hin und fanden das.
Ein Freuen ohne End’,
Denn Advocatus Nicolas
Beschrieb das Pergament,
Und gnädig hing der Herr Johann
Bestätigend sein Siegel dran.

„Hier, Meine Bürger, nehmt das Pfand,
Das Meine Huld euch beut.
In Ehren haltet Stadt und Stand
Auf immerdar wie heut!“ —
Da sang ein deo gratias
Die neu geschaffne civitas. —

(Das Stadtrecht war ein Geschenk des Edlen Johannes Gans von Perleberg, das wohl nicht ganz ohne Drängen der Bewohner verliehen wurde. Es war dem Rechte von Altstadt-Salzwedel gleich. — Den Rath bildeten zuerst Consuln, — 10 im Jahre 1294, — dann zwei Bürgermeister und acht Rathmannen. Jeder der Bürgermeister saß ein halbes Jahr im Regimente. Zu Lichtmeß wurde der Rath für das neue Jahr bestimmt. Wiederwahl war gewöhnlich, daher auch weniger von einer Wahl, als von einer Wandelung oder Umsetzung des Raths die Rede war. Schied ein Bürgermeister altershalber aus dem Amt, so wohnte er doch bei wichtigen Angelegenheiten noch „dem sitzenden Stuhle des Rathes“ bei.)