Verbinde vier Punkte

Verbinde die vier Eckpunkte eines Quadrats auf möglichst kurzem Weg in einem Zug – das heißt, ohne den Stift abzusetzen. Ich empfehle, auf einem Blatt Papier statt auf dem Monitor zu experimentieren. ;-)

Lösungsvorschlag

Wenn wir eine Kante des Quadrats als Längeneinheit nehmen, können wir die Länge des vorgeschlagenen, U-förmigen Lösungswegs mit 3 beziffern. Ist dein Lösungsweg genauso lang?

Herausforderung #2

Verbinde die vier Eckpunkte des Quadrats auf möglichst kurzem Weg in maximal zwei Zügen. Das heißt, du darfst diesmal den Stift einmal umsetzen.

Lösungsvorschlag

Sieht deine Lösung auch wie ein X aus? Wenn eine Kante des Quadrats 1 lang ist, misst dieser vorgeschlagene Lösungsweg etwa 2.828, genau genommen 2√2. Die Diagonale des Quadrats ist nämlich die Hypothenuse c eines rechtwinkligen Dreiecks mit den Kanten des Quadrats als Katheten a und b:

Laut dem Satz des Pythogaras gilt im rechtwinkligen Dreieck:

$$c^2=a^2+b^2$$

Wenn wir die Quadratwurzel ziehen, ist das positive Ergebnis:

$$c=\sqrt{a^2+b^2}$$

In unserem Fall läuft das auf √2 hinaus:

$$c=\sqrt{1^2+1^2}$$

Der Lösungsweg besteht aus beiden Diagonalen des Quadrats, hat also die doppelte Länge 2√2.

Aller guten Dinge

Findest du eine noch kürzere Verbindung der vier Eckpunkte eines Quadrats, wenn du den Stift beliebig oft umsetzen kannst? Wie sieht die optimale Lösung aus?

Lösungsvorschlag

Für diesen Lösungsvorschlag braucht man drei Züge, setzt den Stift also zweimal um. Geht man wieder von der Kantenlänge 1 des Quadrats aus, beträgt die Länge des Lösungsweges circa 2.732 oder exakt 1 + √3. Ich vermute, dass es keine kürzere Verbindung gibt. Hast du noch einen anderen Weg gefunden?

Um meinen Vorschlag zu optimieren, habe ich auf die Differentialrechnung zurückgegriffen. Zunächst aber dachte ich mir, dass man die Lösung aus Herausforderung #2 verbessern könne, indem man die obere und untere Hälfte der Figur staucht und dazwischen eine Mittelstrecke einfügt:

Nicht sicher war ich, wie lang das Mittelstück – beziehungsweise die Höhe x der Dreiecke darüber und darunter – idealerweise sein soll. Freilich, in den Bereich 0 bis ½ muss x fallen. Ich stellte eine Funktion f für die Gesamtlänge der Verbindung aller Punkte in Abhängigkeit von der Unbekannten x auf:

$$f(x)=1-2x+4\sqrt{x^2+\frac{1}{4}}$$

Diese setzt sich aus $1-2x$ für die Länge der Mittelstrecke und viermal

$$\sqrt{x^2+\left(\frac{1}{2}\right)^2}$$

für die Längen der Schrägen zusammen. Letzteres ergibt sich aus dem Satz des Pythagoras. Nun stellte ich die Ableitung f′ der Funktion f von x auf:

$$f^\prime(x)=-2+\frac{4x}{\sqrt{x^2+\frac{1}{4}}}$$

Eine Erklärung, wie man die Ableitung ermittelt, würde an dieser Stelle zu weit führen. Praktisch an der Ableitung ist, dass sie den Wert null annimmt, wo in der Ausgangsfunktion eine Minimal-, Maximal- oder Sattelstelle liegt. Ein Minimum suchte ich. Ich setzte die Ableitung also auf null, das heißt $f^\prime(x_0)=0$:

$$-2+\frac{4x_0}{\sqrt{x_0^2+\frac{1}{4}}}=0$$

Um dies nach x₀ umzustellen, kann man zunächst beide Seiten der Gleichung halbieren, dann eins addieren, und erhält:

$$\frac{2x_0}{\sqrt{x_0^2+\frac{1}{4}}}=1$$

Multipliziert man beiderseits des Gleichheitszeichens mit dem Wurzelausdruck aus dem Nenner und quadriert beide Seiten, steht da:

$$4x_0^2=x_0^2+\frac{1}{4}$$

Hier wie da x₀² zu subtrahieren und durch drei zu teilen ergibt:

$$x_0^2=\frac{1}{12}$$

Zieht man die Wurzel, bleibt als einzige positive Nullstelle der Ableitung diese:

$$x_0=\frac{1}{2\sqrt{3}}$$

Das ist also der Kandidat fürs x in der Konstruktion einer Lösung. Ob das tatsächlich ein Minimum und nicht etwa ein Maximum erzeugt oder eine Sattelstelle der Funktion ist, sehen wir gleich. Schauen wir dazu, welche Gesamtlänge f die Verbindung bei x₀ annimmt:

$$f(x_0)=1-2\left(\frac{1}{2\sqrt{3}}\right)+4\sqrt{\left(\frac{1}{2\sqrt{3}}\right)^2+\frac{1}{4}}$$

Mit Übung und ein wenig Fleiß oder einem Taschenrechner vereinfacht sich das zu:

$$f(x_0)=1+\sqrt{3}$$

Da

handelt es sich bei 1 + √3 tatsächlich um das Minimum.

Zu guter Letzt ermittelte ich den Winkel 2ω zwischen zwei benachbarten Schrägen. Im rechtwinkligen Dreieck entspricht der Tangens eines spitzen Winkels dem Bruch aus Gegenkathete und Ankathete. Im hiesigen Fall ist demnach:

$$\tan\omega=\frac{\frac{1}{2}}{\frac{1}{2\sqrt{3}}}=\sqrt{3}$$

So lässt sich ω als Arkustangens von √3 berechnen, was 60° ergibt. Der Winkel zwischen den benachbarten Schrägen ist also 2ω = 120°, ein Drittel eines Vollkreises. Und da dachte ich mir: Das hätte man sich eigentlich gleich denken können.


Siehe Wikipedia: Ableitungsregeln. Dabei ist nützlich, $\sqrt{z}=z^{\frac{1}{2}}$ zu bedenken, sodass

$$f(x)=1-2x+4\cdot\left(x^2+\frac{1}{4}\right)^\frac{1}{2}$$

Die Ableitung ist dann

$$f^\prime(x)=0-2+\left(4\cdot\frac{1}{2}\cdot\left(x^2+\frac{1}{4}\right)^{-\frac{1}{2}}\right)(2x)$$

was gekürzt und mit $z^{-1}=\frac{1}{z}$ die oben gewählte Form ergibt.