Frauen sind in der Bundespolitik überrepräsentiert

Der Anteil von Frauen im Deutschen Bundestag und in der Bundesregierung ist geringer als der Frauenanteil in der Bevölkerung. Warum das kein Ausdruck einer Benachteiligung von Frauen in der Politik ist und wieso die knackige Überschrift trotzdem stimmt, erfährst du, wenn du dich von weiteren statistischen Fakten nicht einschüchtern lässt und weiterliest.

Bevölkerung in Deutschland

Frauen Männer Frauen­anteil
Menschen 41,9395 Mil. 40,8542 Mil. 0,507
Wahl­berechtigte 31,7 Mil. 29,8 Mil. 0,515

Politik kann man ohne Partei­mitgliedschaft mitgestalten – durch Demonstrationen, Informations­veranstaltungen, Lobbyismus, Petitionen, Bürgerbegehren. Frauen und Männer können bei Wahlen als unabhängige Kandidaten um die Wählergunst ringen. Parteien sind aber entscheidend für die Arbeit in Parlamenten und Regierung. In der Bundesrepublik Deutschland herrscht eine Parteien-Demokratie.1

Bei den Wahlen zum Bundestag kreuzen wir mit der Zweitstimme eine Partei an und diese Stimme entscheidet über die Sitzverteilung in der Volksvertretung. Aber auch per Erststimme gewählte Direktkandidaten profitieren enorm von der Unterstützung ihrer Parteien. Wer könnte als unabhängiger Kandidat eine vergleichbare Wahlwerbung auf die Beine stellen? Promis und Reiche vielleicht.

Die Parteien bilden Fraktionen im Bundestag und vereinbaren eine Regierungskoalition. In die Regierung werden fast ausschließlich Leute berufen, die sich in den Parteien Anerkennung und Einfluss erworben haben. Das alles ist kein Geheimnis. Wer überregionale Politik mitgestalten möchte, kann das in der Regel am besten über den Weg in eine Partei.

Mitglieder im Bundestag vertretener Parteien

Mitglieder Frauen­anteil
CDU 431920 0,26
CSU 142412 0,20
SPD 432706 0,32
AfD > 26000 0,16
FDP 53896 0,23
Die Linke 58910 0,37
Grüne 61596 0,39
Parteien > 1207440 ≤ 0,28

Wie wird man Parteimitglied? Die Details mögen sich von Partei zu Partei unterscheiden, aber im Wesentlichen läuft es darauf hinaus, dass man sich mit den Werten der Partei identifiziert und einen Beitrittsantrag stellt. Das Geschlecht ist für die Mitgliedschaft in den im Bundestag vertretenen Parteien kein maßgebliches Kriterium.

Der Anteil der Frauen unter den mehr als einer Million Parteimitgliedern liegt dennoch bei höchstens 0,28: Nicht einmal ein Drittel sind Frauen. Warum ist das so? Wollen weniger Frauen Politik mitgestalten? Setzen Frauen andere Prioritäten in ihrem Leben? Sehen sie aufgrund ihres Geschlechts keine Chancen, in Entscheidungspositionen aufzusteigen? Die Antwort kann ich nicht geben.

Tatsache ist, dass in keiner bundespolitisch relevanten Partei annähernd so viele Frauen wie Männer mitmachen. Sogar die Partei Bündnis 90/Die Grünen gewinnt mit einem Verhältnis von 61:39 deutlich mehr Männer als Frauen für die Mitarbeit – ungeachtet ihrer seit mehr als 30 Jahren satzungsgemäß geltenden Bevorzugung von Frauen2 bei der Vergabe von Mandaten.

Abgeordnete im Bundestag nach Fraktionen

Frauen Männer Frauen­anteil
CDU/CSU 49 197 0,199
SPD 64 89 0,418
AfD 10 82 0,109
FDP 19 61 0,238
Die Linke 37 32 0,536
Grüne 39 28 0,582
fraktions­los 1 1 0,5
Bundestag 219 490 0,309

Neben den Grünen schickt die Linke absolut mehr Frauen als Männer in den Deutschen Bundestag. Verglichen mit der Zusammensetzung der Partei entsendet auch die SPD überproportional viele Frauen ins Parlament. Bei der FDP besteht, wenn wir gleiche Qualifikationen von Männern und Frauen unterstellen, Chancengleichheit. Bei der Union sind die weiblichen Mitglieder mäßig, bei der AfD stärker unterrepräsentiert.

Insgesamt liegt der Frauenanteil in unserer Volksvertretung mit 0,309 zwar deutlich unter dem Anteil der Frauen an der Bevölkerung, aber über dem Anteil der Frauen an den Parteimitgliedern. Frauen haben heute demnach keine schlechteren Chancen als Männer, ein Mandat im Bundestag zu erringen, wenn sie sich zum Mitwirken in einer Partei entscheiden.

Bundeskabinett

Frauen Männer Frauen­anteil
Kanzler 1 0 1
Minister 6 9 0,4
Staats­sekretäre 13 22 0,371
Bundes­kabinett 20 31 0,392

Wie sieht es in der Bundesregierung aus? Im nunmehr vierten Kabinett unserer Kanzlerin Angela Merkel beträgt der Frauenanteil 0,392. Je weiter man die Karriereleiter hinaufschaut – je dünner die Luft sprichwörtlich wird – desto höher ist der Frauenanteil. Fakt: In der Bundespolitik sind Frauen in verantwortungsvoller Position im Vergleich mit dem ganzen Parteivolk überrepräsentiert.

Unsere Justizministerin Katarina Barley wirbt derweil um eine Wahlrechtsreform, „um mehr Frauen den Einzug in den Bundestag zu ermöglichen“.3 Die Zahlen zeigen jedoch, dass es an Möglichkeiten nicht mangelt. Es ergreifen schlicht weniger Frauen als Männer die Initiative, in der Parteien-Demokratie mitzuwirken. Am dünnsten ist der Frauenanteil an der Basis, wo Dabeisein am leichtesten ist.

Parteivorsitzende

Frauen Männer Frauen­anteil
CDU 1 0 1
CSU 0 1 0
SPD 1 0 1
AfD 0 2 0
FDP 0 1 0
Die Linke 1 1 0,5
Grüne 1 1 0,5
Partei­vorsitzende 4 6 0,4

  • Stand: 13. November 2018

Ist das schlimm? Jedenfalls widerspricht es nicht der Gleichberechtigung oder Chancengleichheit zwischen den Geschlechtern, wenn es heute weniger Frauen als Männer in politischen Führungspositionen gibt. Sollte man dennoch das Wahlrecht in Bezug auf die Geschlechter ändern und wenn ja, warum? Trage deine Meinung in Form eines Kommentars bei!


  1. Siehe Grundgesetz Art. 21 sowie Parteiengesetz § 1.
  2. Siehe Frauenstatut des Bundesverbandes Bündnis 90/Die Grünen.
  3. Deutschlandfunk: Barley will Änderung des Wahlrechts für höheren Frauenanteil, 11. November 2018. Abgerufen am 14. November 2018.

Kommentare

  1. Wie will man das Wahlrecht ändern? Mehr als n Stimmzettel geht doch nicht

  2. Ah! Indem Frauen auf die Wunschliste sollen. Doof nur wenn sich keine Frau meldet!

    Vlt wäre es sinnvoller mehr Menschen zu repräsentieren wie Handwerker, oder Behinderte? Oder mehr Leute die nicht durch dIe Kaderschmiede der Parteien sind.

  3. @1: Bundesjustizministerin Barley hat laut der DLF-Meldung (siehe Fußnote [3]) zwei Ideen:

    A. Dass auf den „Wunschlisten“ der Parteien abwechselnd Männer und Frauen stehen müssen, wie in @2 schon geschrieben. Das würde bei eher kleinen Parteien, die kaum Direktmandate gewinnen, je nach Umsetzung zu einem ähnlichen Anteil von Männern und Frauen führen. Ich bin kein Wahlrechtler, aber ich meine, bei den Unionsparteien hätte das bei der vorigen Bundestagswahl kaum eine Auswirkung gehabt, weil sie eine überwältigende Mehrheit der Direktmandate gewann und insofern kaum Abgeordnete indirekt über ihre Landeslisten in den Bundestag kamen. Das wäre eine merkwürdige Wahlrechtsänderung, die dann nur bei Kleinparteien zu einer Parität von Männern und Frauen führt, beim Wahlsieger hingegen quasi nichts in dieser Hinsicht regelt, oder?

    B. Dass man quasi zwei getrennte Wahlen (am gleichen Termin) durchführt. In der einen Wahl können nur Frauen gewählt werden, in der anderen Wahl können nur Männer gewählt werden. Bei jeder der beiden Wahlen wird jeweils die Hälfte der Plätze im Bundestag vergeben. Dieses Modell haben die Grünen auch schon im Brandenburger Landtag vorgeschlagen.

  4. @2: In Irland hat man eine Idee aufgegriffen, die es auch in der antiken griechische Demokratie gab, und einen Bürgerrat als ein Gremium eingeführt, dessen Mitglieder aus der Bevölkerung ausgelost werden. Wenn die Idee einer Volksvertretung sein soll, dass sie in ihrer Zusammensetzung die Zusammensetzung der Bevölkerung repräsentiert, ist das ein gangbarer Weg. Ob dieses Modell für eine reformierten Bundestag mit dem Grundgesetz-Artikel 20 vereinbar wäre, der in seinem Wesensgehalt nicht geändert werden darf, bezweifle ich. Man müsste das Konzept der Wahl schon arg denen, damit auch eine Auslosung darunter fällt. Es wäre eine „Wahl“, bei der kein Mensch wählt.

  5. Und wenn das dritte Geschlecht kommt, wird dreimal gewählt: Für Männer, für Frauen, für andere.

    Ich halte es für wichtiger, die Demokratie zu stärken indem
    <> Wahlversprechen gelten müssen
    <> die Bevölkerung besser abgebildet wird.

    Wenn Wahlversprechen gebrochen und die Exekutive gegen Gesetze verstoßt, halte ich das für bedenklicher als wenn eine Frau zuwenig in der Politik dümpelt.