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Warum lässt Gott das größte Leid zu?

Die Frage, wie das Leid in der Welt mit der Vorstellung eines gütigen und allmächtigen Gottes vereinbar ist, beschäftigt Menschen seit mehr als tausend Jahren. Hier mein kleiner Beitrag dazu, zur Theodizee …

Ich denke, wenn wir des Leides wegen an Gott zweifeln, tun es die wenigsten von uns eines kleinen Unwohlseins wegen. Wir stellen nicht den Anspruch, dass alles und dass jeder Moment immer gleich angenehm sein muss. Was uns bestürzt, sind die Extreme: Naturkatastrophen, Hungersnöte, Seuchen, Kriege, Morde. So habe ich nicht über die Frage nachgedacht, warum Gott Leid zulässt, sondern warum er das größte Leid zulässt.

Meine Antwort: Der Superlativ ist nicht kleinzukriegen. Etwas individuell als größtes Leid Empfundenes lässt sich wegdenken, doch danach ist ein anderes Leid das größte. Wenn nicht alles gleichwertig ist, wenn wir eine Rangfolge von Freuden und Leid aufstellen können, dann gibt es unvermeidlich immer größtes Leid.

Das mag wie eine bloß formalistische Spitzfindigkeit erscheinen, denn wäre nicht das neue größte Leid trotzdem viel erträglicher als das zuvor größte, dann verschwundene? Das bezweifle ich oder wenigstens, dass diese Empfindung anhalten würde! Ich meine, dass Menschen auch an einem vermeintlich geringeren Extrem verzweifeln könnten. In mein Tagebuch notierte ich im Oktober 2001:

… und scheint ihr Leiden noch so nichtig;
ist es die größte Qual, die sie kennen,
ist es die größte Qual.

Ich muss daran denken, wenn ich weinende, quengelnde Kinder sehe, für die anscheinend ein großes Drama ist, was mir in meinen Erwachsenenaugen als Kleinigkeit erscheint. Man mag es als Glück sehen, dass ein Kind um viel Leid in der Welt noch nicht weiß. Allerdings hat das Kind so auch einen anderen Maßstab. Es mag ihm erscheinen, als geschehe ihm eine schlimme Ungerechtigkeit; es mag einen großen Mangel empfinden, weil es aus dem Laden eine Süßigkeit oder ein Spielzeug nicht mitnehmen darf.

Nicht nur Kindern geht es so, denke ich. Dank Impfungen und Antibiotika sind uns viele schreckliche Plagen der Vergangenheit genommen, die einst die größten Leiden gewesen sein mögen und von denen Menschen meinten, dass ein gütiger Gott doch zumindest diese nicht zulassen dürfte. Die Echten Pocken grassieren nicht mehr, die Zweifel an der Möglichkeit eines gütigen Gottes sind nicht mit Ihnen aus der Welt entschwunden. Den Pocken nicht ausgesetzt zu sein, empfindet niemand als Erleichterung, der um sie nicht weiß. Ohne sie erscheinen uns Probleme als groß und Grund genug, um mit unserem Schicksal zu hadern, die wir mit den Pocken konfrontiert womöglich anders bewerten würden.

Tatsächlich berichten Menschen, denen oder deren Liebsten ein Unglück widerfuhr, dass dieser Einschnitt ihnen die Augen öffnete, wie klein und unwichtig doch so viele Probleme seien, mit denen sie sich zuvor herumquälten. Wir haben offenbar keinen absoluten Maßstab für Leid, sondern messen es an unseren Erfahrungen. So kann das größte Leid prinzipiell nicht verschwinden.

Fragen

Man könnte nun die Frage vom Leid in der Welt dahin verlagern, ob das innerliche Verzweifeln mancher Menschen mit einem gütigen Gott vereinbar ist. Spannender finde ich aber eine andere Frage: Wenn man akzeptiert, dass unser Empfinden von Leid relativ ist, an Erfahrungen gemessen wird – gibt es dann so etwas wie eine optimale Verteilung von leidvollen Erfahrungen, die das insgesamt empfundene Leid eines Menschen minimiert?

Kommentare

  1. Mais la question la plus grande reste: La souffrance accepte-il ce Dieu? Si'il l'accepte, c'est pourquoi Il la fait? C'est pourquoi nous sommes capables d'en sens? Peut-il être raisonnable que ce Dieu a fait des mal? Y-a-t-il des contradictions entre l'affirmation ce Dieu a fait tous et ce Dieu c'est qu'un bon et indulgent? C'est pas concluant à moi.

  2. Für mich ist Leiden bzw. Schmerz in erster Linie eine evolutionäre Anpassungsreaktion. Ein Lebewesen, das leidet, versucht den Ursprung des Leides abzustellen oder zu umgehen und verbessert damit seine Chancen auf Fortbestand.

    Die (unerwartet) therapeutische Wirkung einer Krankheit finde ich auch immer wieder überraschend. Viele Einsichten sind sicherlich kaum auf anderem Wege möglich, höchstens mithilfe der Empathie gegenüber Leuten, die sich in einer schlimmen Situation befinden.
    In der Zeit Wissen 10/2015 gibt es einen großen Artikel ("Mir geht's gut"), der sich mit den positiven Folgen einer Krankheit beschäftigt (fiel mir heute zufällig in die Hände).

    Eine "optimale Verteilung" ist sicherlich problematisch, weil jeder andere Grenzen und Bewältigungsstrategien hat und der Mensch langfristig nur froh sein kann, wenn ihn das Leid nicht traumatisiert. Auf der anderen Seite: Ohne Leid keine Freude.

  3. Danke für eure Kommentare!

    @1: Da ich des Französischen kaum mächtig bin und ein Übersetzungsprogramm nur mäßig zuverlässig ist, bin ich nicht sicher, dass ich alles richtig verstehe. Ich denke aber, wenn Du den Eindruck hast, dass nach meinem kleinen Beitrag noch Fragen offen bleiben, dann ist das ganz normal und es hätte mich verwundert, wenn es anders wäre. Ob Gott gütig ist, ob Gott allwissend und allmächtig ist, ob diese unsere Worte geeignet sind, sein Wesen zu beschreiben – ob Gott überhaupt ist –, weiß ich nicht.

    Was ich zeigen wollte, ist, dass unter gewissen Voraussetzungen wie der Relativität unseres Empfindens eine Frage wie jene, wie Gott ein bestimmtes als extrem empfundenes Leid zulassen kann, weit mehr impliziert, als der Fragesteller erkennen mag. Gott mag dieses Leid verhindern können – tatsächlich wurden uns Menschen ja Bürden genommen, die in der Vergangenheit schwer auf der Menschheit lasteten. Aber das erleichtert die Menschen nicht dauerhaft, sondern sie schieben bald darauf die Frage nach, warum Gott jenes andere einst kleinere, aber nun ebenso schwer empfundene Leid zulässt. So läuft die bescheidene Frage, wie Gott das extremste Leid zulassen kann, über einen langen Zeitraum gesehen letztendlich doch auf die weniger bescheidene Frage hinaus, wie Gott auch nur das kleinste Unwohlsein zulassen kann. Möglicherweise kann der eine oder andere sich jene Frage leichter beantworten als direkt jene nach dem extremen Leid.

    Warum sollte man von einem Gott, um ihn als gütig anzusehen, erwarten, den Menschen die schwerste Last zu nehmen, wenn es die Menschen doch gar nicht erleichtern würde? Ich denke nicht, dass größtes Leid im Widerspruch zu einem gütigen Gott steht.

    Damit komme ich dann zu meiner Frage am Ende: Wenn die Beseitigung extremer Leidauslöser die Leidempfindung nicht dauerhaft reduziert – kann es eine günstige Verteilung negativer Erfahrungen geben, die das tut? – zum Beispiel seltene Schicksalsschläge, die unseren Maßstab so justieren, dass wir uns die meiste Zeit über daran erfreuen, ihnen nicht ausgesetzt zu sein?

    @2: Dem kann ich nur zustimmen. Wenn es nicht die eine goldene Verteilung negativer Erfahrungen gibt, könnte es allerdings individuell günstigere und weniger günstige geben.

    Martin

  4. Dass es überhaupt Mühsal gibt, erklärt das Alte Testament übrigens mit Erbsünden. So heißt es (laut Lutherbibel 2017) über Gott, nachdem die Menschen im Garten Eden von der Schlange verführt vom verbotenen Baum gegessen haben und die Schlange ihre Bürde erhalten hat:

    „Und zur Frau sprach er: Ich will dir viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Mann sein, aber er soll dein Herr sein. Und zum Mann sprach er: Weil du gehorcht hast der Stimme deiner Frau und gegessen von dem Baum, von dem ich dir gebot und sprach: Du sollst nicht davon essen –, verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde wirst, davon du genommen bist. Denn Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück.“ (Genesis 3:16–19)

    Leiden werden dort also als gerechte Strafe interpretiert.

  5. Und warum liess Gott die Schlange ins Paradies?

    Wollte er einen Treuebeweis? Warum dann hat er schwache Menschen gebaut?

    Das erinnert mich an Programmierer die eine Software bauen und testen. Ein Teil fliegt raus, der Rest wird verbessert. Das wäre eine Art Evolution im Wasserglas: Survivel of the fittest/best.

    Kann dann Gott allmächtig sein, wenn er nicht mächtig genug ist, ein von Anbeginn perfektes Wesen zu schaffen?

    Vlt wollte er kein perfektes Wesen? Warum nicht?

    Das lässt sich so weiterspinnen. Vlt gibt es einen Gott oder Mehrere oder Göttin, und die sind bizarr drauf und lachen sich einen Ast über und Kreaturen? Eine Art Reality Porn.

    Findet ein Gast

  6. Warum lässt ein Gott größte Leiden zu?
    Diese Frage ist für mich schwer verstehbar, sie stellt sich mir nicht. Meine Gedanken nur zu einem der Aspekte (ohne auf größer oder kleiner erscheinendes Leid einzugehen):

    Wer oder was ist der/die/das Gott? Um-Schreibungen gibt es zu viele.
    Ist er eine Person, der gütige Vater, der konkrete Schöpfer allen Seins? Derjenige, der nach der Überlieferung unter vielem anderen auch seine Gebote "geistig-schriftlich" in die superschweren Steintafeln meißelte und diese dem Herrn Mose mit leichter Hand aus den Wolken sanft hinunter reichte?

    Wer oder was ist Gott? Ist er menschenähnlich-übermenschlich, dass wir uns die Frage erlauben, warum "er" Kriege mit unermesslichem Leid zulässt? Eine Art von verdrängender indirekter Schuldzuweisung. Sind es nicht ausschließlich Menschen, eher Unmenschen, die aus freiem bösartigen Willen diese Leiden verursachen und sie also ausschließlich selbst dafür verantwortlich sind? Seit Jahrtausenden. Täglich.

    Wer oder was ist Gott? God, Gut. Das Gute in der Welt an sich? Was scheint uns gottesnah, himmlisch oder göttlich? Alles das, was wir individuell als "gut" beurteilen, was uns gefällt? Sind es letztendlich die Energien des Universums mit ihren komplexen Wirkungen auf alles, auf alles was wir erfassen können? Ist es die Natur, die nährende Quelle?

    Wer oder was ist Gott? Das unpersonifizierbare Gute, das Göttliche, das Beste – sollen wir es nicht in uns suchen, entdecken, pflegen und für unsere Umgebung bereit stellen, vervielfachen?
    Und üben wir in Ruhe und Gelassenheit, (ohne Gedanken an Eigennutz aber mit Freundlichkeit gegenüber allem was ist,) mit unserem Innern zu sprechen, dabei unsere Fragen zu stellen so wird uns oftmals eine Antwort zuteil werden, die uns angemessen ist.