John Strelecky: The Big Five for Life
Was wirklich zählt im Leben
Wenn ein im Beruf geknechteter, von der Politik enttäuschter Bürger zwischen Schichtarbeit und Tagesschau John Streleckys Buch The Big Five for Life aufschlägt, findet er als Erstes die Widmung „für die großartigen Führungspersönlichkeiten in aller Welt“. Der Leser könnte seufzen und das Buch mit der Frage, ob ein Ratgeber für Manager sei, was er jetzt brauche, gleich wieder aus der Hand legen. Doch das wäre ein Fehler! The Big Five for Life ist nicht nur für Führungskräfte lesenswert, sondern mindestens für alle, die das Berufsleben vor sich haben oder mitten in ihm stehen, egal ob als Selbstständiger oder Angestellter.
Was sind die Big Five for Life, die großen Fünf fürs Leben? Der Begriff kommt ursprünglich von der Großwildjagd in der afrikanische Savanne: Die Big Five Afrikas sind fünf für Jäger besonders schwierig zu erlegende und damit herausfordernde, attraktive Tierarten: Elefanten, Löwen, Nashörner, Leoparden und Büffel. Im Buch wird allerdings eine moderne Interpretation beschrieben, es seien Tierarten, die Safariteilnehmer unbedingt auf ihrer Reise zu Gesicht bekommen wollen. Und die Big Five for Life? Um es mit Streleckys Worten zu sagen: „Es sind die fünf Dinge, die wir tun, sehen oder erleben möchten, bevor wir sterben.“
Was genau diese fünf Dinge sind, verrät der Autor natürlich nicht: Das kann und sollte jeder Mensch für sich selbst festlegen. Ein Beispiel findet sich im Buch in Form der Big Five for Life des Erzählers Joe Pogrete, ein Freund der leuchtenden Hauptfigur Thomas Derale:
- Welt bereisen – mindestens sechs Monate im Jahr.
- Erfolgssong schreiben – einen, der in die Top Ten der Popcharts kommt.
- Inspiration für andere sein – mit meinen Artikeln, Büchern, Vorträgen und indem ich bin, wer ich bin. Etwas bewirken.
- Spanisch fließend sprechen lernen.
- Entwicklung – einmal täglich meinen Körper und Geist trainieren, damit ich mich ständig weiterentwickle.
Der erfolgreiche Unternehmer Thomas Derale ist überzeugt, dass die Existenz eines jeden Menschen einen Zweck hat. Auch diesen findet oder entscheidet man für sich selbst – im Fall von Joe Pogrete: „Alles zu erleben, was ich mir im Leben wünsche, damit ich lebe, ohne etwas zu bedauern.“ Das Prinzip, seinen Zweck der Existenz und die Big Five for Life zu kennen, empfiehlt Thomas Derale aber nicht nur jedem Menschen, sondern wendet dies ebenso auf seine Unternehmen und einzelne Projekte an.
Zentraler Gedanke des Buches ist, dass Führungskräfte Mitarbeiter einstellen sollten, deren persönlicher Existenzzweck und deren große Ziele gut zum Zweck des Unternehmens und seinen Zielen passen. Das ist in beidseitigem Interesse: Das Unternehmen gewinnt einen motivierten, produktiven Mitarbeiter, der durch oder im Einklang mit seiner Arbeit seine eigenen Wünsche verwirklichen kann. Der Erfolg des Unternehmens und ein sinnvolles Leben seiner Mitarbeiter sind zwei Seiten derselben Medaille – im Übrigen profitieren auch Kunden von dieser Kultur.
Verpackt ist dieser ebenso wie weitere gute unternehmerische und menschliche Ratschläge in Form einer Erzählung, welche in den letzten Lebenstagen Thomas Derales spielt. Teils wirkt dieser Stil etwas gezwungen – etwa wenn der Erzähler Joe uns Lesern erzählt, wie er einer Sonja im Flugzeug erzählte, dass die ihm von Thomas vorgestellte Katie ihm einst erzählte, was in einem ihr von Thomas geschenktem Buch die weise, alte Frau Ma Ma Gombe ihrem jungen Begleiter erklärte.
Zum hier und da gestelzten Eindruck mag auch die Übersetzung beitragen. Wo im Original kurz und knapp „leader“ steht, findet sich in der deutschen Ausgabe „Führungspersönlichkeit“ – und zwar gefühlt hundert Mal. Das Wort ist nicht nur lang und erinnert uns stets daran, dass „Führer“ im Deutschen ein verbranntes Wort ist. Es kann auch irritieren. Ein Beispiel: „Thomas bedeutet uns allen viel. Und nicht zuletzt ist er all die Zeit eine großartige Führungspersönlichkeit gewesen.“ Da sieht „Führungs-“ fast wie eine Einschränkung aus, als wäre Thomas keine großartige Persönlichkeit im Allgemeinen.
Literarisch lässt The Big Five for Life also zu wünschen übrig. Doch es wäre unfair, das Buch wie einen Roman zu beurteilen, da es eigentlich ein verkapptes Sachbuch aus dem Ratgeberbereich ist. In Anbetracht dessen ist der Erzählstil in Ordnung. Inhaltlich hat mich ein Detail nicht überzeugt: Bei der Berechnung zur Produktivität wird aus einer Punkteverbesserung in einem Fragebogen zum eigenen und unternehmerischen Existenzzweck eine identische Steigerung des erwirtschafteten Gewinns abgeleitet. Während ein positiver Zusammenhang beider Größen nachvollziehbar ist, erscheint die 1:1-Koppelung völlig willkürlich.
Lasse Dich von diesen Kritikpunkten aber nicht täuschen: Ich empfehle The Big Five for Life jungen Erwachsenen genauso wie solchen mittleren Alters, ob Unternehmensgründer, leitender Angestellter oder Otto Normalarbeiter. Das Buch wird Dich zum Nachdenken über Dein Leben anregen und Dir und/oder Deiner Firma vielleicht einen Schubs in eine erfüllendere Zukunft geben. Denke über Deine eigenen Wünsche nach und teile sie anderen mit, denn so kannst Du Leute finden, die Dir auf Deinem Weg zum Ziel helfen.
Müssen es fünf sein? Vielleicht nicht, aber fünf ist eine gute Zahl: Sie ist nicht so klein, dass man sich verengen oder bei Nichterreichen eines Punktes meinen müsste, versagt zu haben. Andererseits sind fünf Dinge überschaubar, sodass man nicht den Blick fürs Wesentliche verliert.