Hartwig Hausdorf: Nicht von dieser Welt
Dinge, die es nicht geben dürfte
Hartwig Hausdorf entführt seine Leser in „Nicht von dieser Welt“ auf eine Reise über sechs Kontinente. Wir besuchen Minen in Westafrika, den indischen Subkontinent, tauchen mit Schwammsammlern in der Inselwelt der Ägäis; von Mittelamerika geht es nach Kalifornien, vom Ural nach China und schlussendlich nach Australien. Aus allen Regionen der Welt stellt Hartwig Hausdorf rätselhafte Artefakte vor, die mit „unserem Schulwissen“ und den in der Wissenschaftsgemeinde breit akzeptierten Erkenntnissen schwer vereinbar sind. Hausdorfs These: Es handele sich um Zeugnisse außerirdischer Besucher.
Das Vorwort nutzt Hartwig Hausdorf, um von sich selbst ein Bild als faktenliebenden Querdenker zu zeichnen und sich von etablierten Wissenschaftlern abzugrenzen. Unter diesen macht er insbesondere zwei Gruppen aus: Leute, welche die Existenz von Funden schlicht leugnen, weil nicht seien dürfe, was nicht in ihr festgezurrtes Bild passe (daher auch der Untertitel des Buches), sowie Choleriker, mit denen man nicht sachlich reden könne, weil sie stets ins Emotionale abrutschten. Damit weiß der geschätzte Leser gleich, wer die Guten und wer die Bösen in diesem Sachbuch sind.
Strohmann und der kleine Handlungsgehilfe des Schicksals
Die Reaktoren von Oklo, Milliarden Jahre alte Überreste nuklearer Kettenreaktionen in Gabun, sind Hausdorfs erste Kronzeugen für außerirdische Besucher auf unserem Planeten. Ein Zitat:
[…] da verlassen wir den so solide scheinenden Boden unseres als ewig gültig betrachteten Schulwissens und werden uns mit der schier unglaublichen Tatsache konfrontiert sehen, dass in einer unvorstellbar weit zurückliegenden Periode in der Frühzeit unseres Planeten bereits eine ganze Reihe richtiggehender Atommeiler in Betrieb gewesen sein müssen.
Tatsächlich gibt es an der Existenz der Reaktoren heute keinen Zweifel. Um einen Beleg für die Prä-Astronautik-These des Autors abgegeben zu können, dürften sie aber keinen natürlichen Ursprung haben, sodass Hausdorf viel Energie darauf verwendet, zu erläutern, warum dies ausgeschlossen sei. Unter anderem schreibt er:
Nur hier im äquatorialen Afrika stehen auf engstem Raum mehr als ein Dutzend davon herum. Einzigartig? Nicht bei diesem gehäuften Auftreten. Oder bloßer Zufall? Dieser »kleine Handlungsgehilfe des Schicksals« kann einem manchmal richtig leid tun.
Zwei Standpunkte, die im Buch wiederholt eine Rolle spielen, findet man in diesen Auszügen aus dem Kapitel über Oklo wieder.
Ein Standpunkt ist, dass Schulwissen als ewig gültig betrachtet werde. Tatsächlich mögen Lehrer in mancher Stunde als felsenfesten Fakt präsentieren, was eigentlich nur eine als praktisch nützlich erfahrene Theorie ist. Dennoch habe ich aus mehr als einem Jahrzehnt Schulunterricht mitgenommen, dass sich unser Wissen über die Natur durch neue Entdeckungen kontinuierlich erweitert hat. Dabei erwiesen sich alte Modelle immer wieder als unzureichend und die Natur als komplexer als vermutet. So gibt es keinen Grund, Schulwissen in den empirischen Wissenschaften als ewig gültig zu betrachten. Bedauerlich ist, wenn dieser Eindruck beim kleinen Hartwig Hausdorf erweckt wurde und bis heute hängenblieb, ansonsten müsste man ihm eine Strohmann-Argumentation bescheinigen.
Zu Hausdorfs Standpunkt, der Zufall werde überstrapaziert, denke ich, dass Hausdorf die Wahrscheinlichkeit des Eintretens bestimmter Ereignisse ohne planende Akteure schlicht unterschätzt. Das könnte daran liegen, dass er verständlicherweise Schwierigkeiten hat, sich die „unvorstellbar“ langen Zeiträume vorzustellen. So greift er bei Erklärungen immer wieder auf technologische Mechanismen zurück, anstatt natürliche in Betracht zu ziehen. Verwüstungen auf dem indischen Subkontinent, die Auswirkungen von Meteoren sein könnten, verweisen für ihn auf einen frühzeitlichen Atomkrieg, und die Verhaltensänderungen bei der Domestikation des Hundes erklärt er sich mit Genmanipulationen durch Extraterrestrische statt als durch sexuelle Rekombination und Mutationen entstandene und durch Evolutionsdruck und Zucht geförderte Merkmale.
Dumme Wilde
Hausdorf unterschätzt nicht nur die Wirkung planloser Vorgänge in der Natur. Ein weiterer roter Faden, der sich durchs Buch zieht, ist die Geringschätzung der Fähigkeiten von Menschen der Vergangenheit. Er stellt mehrere bemerkenswerte archäologische Artefakte wie rostfreie Eisensäulen aus dem alten Indien oder einen mechanischen astronomischen Rechner aus dem antiken Griechenland vor, die mit Technologien hergestellt wurden oder selbst Technik darstellen, die erst in der jüngeren Neuzeit wiederentdeckt wurden oder auf einem schmalen Fachgebiet sogar dem heutigen Stand der Technik voraus sind.
Völkern vergangener Zeiten spricht er die Fähigkeit zu jenen durch Funde belegten Entwicklungen ab, um eine Inspiration durch außerirdische Intelligenzen als logische Schlussfolgerung hinzustellen. Ein Beispiel aus der Besprechung von Artefakten aus Tiahuanaco:
Einmal mehr ist es nicht nachvollziehbar, dass sie von technisch unbedarften Indianern mit primitivsten Mitteln hergestellt worden sein sollen.
Ein weiteres Beispiel für eine abwertende Formulierung, die geschickt seriösen Wissenschaftlern untergeschoben wird, obschon es Hartwig Hausdorf ist, der seine Argumentation darauf gründet:
Diese Ural-Artefakte stammen aus einem Zeitalter, in dem nach »gesicherter Expertenmeinung« nur wilde, grunzende Neandertaler keulenschwingend ihre steinzeitliche Umgebung unsicher machten.
Wie sich Experten wirklich äußern, kann man beispielsweise in der ZDF-History-Sendung „Die Akte Mensch“ sehen. Dr. Ralf W. Schmitz sagt darin über das Klischee vom tumben Neandertaler:
Das ist schier unausrottbar. Der nicht aufrecht Gehende, mit dumpfem Blick, mit der Keule in der Hand – das ist schon ein schlimmes Zerrbild.
Stärken und Schwächen
Die von Hartwig Hausdorf gezeichneten Zerrbilder von alten Kulturen und modernen Wissenschaftlern mögen einem Sachbuch nicht gut zu Gesicht stehen; sie könnten allerdings eines der Geheimnisse sein, weswegen „Nicht von dieser Welt“ nie unter den Verdacht gerät, ein trockenes Fachbuch zu sein.
Zu den Stärken des Werkes gehört die breite Palette interessanter Stätten, die man mit Hausdorf kennenlernt. Tatsächlich darf man davon ausgehen, dass die vorgestellten Objekte keine Hirngespinste sind. Das Buch wartet mit 41 zumeist farbigen Fotos auf, einige von Hartwig Hausdorf selbst aufgenommen. Bei wenigen mag es sich um Fälschungen handeln, denen konservative Wissenschaftler genauso wie querdenkende Bestsellerautoren aufsitzen können; die meisten sind vermutlich authentische Zeitzeugnisse. So bietet das Buch zahlreiche Ansatzpunkte, bei denen es lohnt, tiefer zu graben.
Tiefer sollte man auch graben, um Hausdorfs steiler These von außerirdischen Besuchern nicht zu verfallen, ohne konkurrierende Erklärungsansätze kennengelernt zu haben. So ist beispielsweise der Fund des Coso-Artefakts ziemlich unstrittig – der kleine Unterschied liegt aber darin, dass die einen meinen, das als Zündkerze identifizierte Objekt hätte vor mehreren Hunderttausend Jahren seinen Dienst im Gefährt extraterrestrischer Besucher getan, während andere dieses Bauteil aus dem Ford Modell T kennen.
Neben Kurzweiligkeit für den Leser könnte ein Vorteil des Ausgrabungshüpfens sein, dass der Autor einen interdisziplinären Ansatz wahrt – Stichwort „Universalgenie versus Fachidiot“. Doch bei mir bleibt der Eindruck, dass es Hausdorfs Thesen durch die so unvermeidlich oberflächliche Betrachtung an Beweiskraft fehlt. Muss es verwundern, dass er für Phänomene keine natürliche Ursache findet, wenn für die Untersuchung wenig Zeit bleibt, weil schon bald das nächste Thema wartet?
Teils widersprechen sich die Argumentationen zu verschiedenen Themen auch. Während Hausdorf an einer Stelle heranzieht, dass selbst nah verwandte Spezies wie Pferd und Esel keine fortpflanzungsfähigen Nachkommen zeugen, spricht er an anderer Stelle wie selbstverständlich davon, dass in China unglücklich abgestürzte Außerirdische – mangels funktionierender technischer Gerätschaften der Möglichkeit der Heimkehr beraubt – sich mit der heimischen menschlichen Bevölkerung genetisch durchmischt hätten, wären sie nicht in vollkommener Isolation geblieben.
Löblich: Die im Verlag Wilhelm Heyne erschienene dritte Auflage wartet neben dem Inhaltsverzeichnis am Anfang sowie einigen Begriffserklärungen und einem Quellenverzeichnis am Ende auch mit einem Stichwortverzeichnis auf. Das ist praktisch, wenn man zu einem bestimmten Begriff schnell die passende Stelle im Buch nachschlagen will.
Fazit
„Nicht von dieser Welt“ kann seine Leser auf spannende Pfade leiten. Wenn Hartwig Hausdorf wiederholt das Feindbild von Schulwissen und konservativen Wissenschaftlern pflegt, ermüdet das allerdings, und bei so manchem Zerrbild alter Völker wünschte man sich Herrn Hausdorf her, um ihm von Angesicht zu Angesicht zu widersprechen. Es braucht Aufgeschlossenheit, um dieses Buch anzunehmen. Die gleiche Offenheit empfehle ich aber auch für die Positionen jener, die von Hartwig Hausdorf in ein schlechtes Licht gerückt werden.
Spaß machen kann das Buch einer breiten Lesergruppe von leichtgläubig bis extrem skeptisch mit einer guten Portion Frustrationstoleranz. Erstere wird es mehr faszinieren. Letztere werden viel Ironie empfinden, angefangen beim Buchaufdruck „Dinge, die es nicht geben dürfte“.
Schließen möchte ich augenzwinkernd mit einem weiteren Hartwig-Hausdorf-Zitat aus „Nicht von dieser Welt“:
Zudem tue ich mir auch schwer mit dem Verständnis dafür, warum einige Zeitgenossen Zuflucht zu solchen ungerechtfertigten Utopien suchen müssen.
Das Foto auf dieser Seite stammt nicht aus dem Buch, sondern ist eine Eigenentdeckung des Rezensenten – denn warum in die Ferne schweifen, wenn mysteriöse Artefakte so nah liegen? (Siehe dazu auch meine Notizen zu exotischen Orten und vergangenen Zeiten.)