Zwei Stunden in Salzwedel

8. September, Himmel bedeckt

Wohnturm nahe des Salzwedeler Bahnhofs
Nicht zu übersehen: Baumkuchen ist in der altmärkischen Stadt Salzwedel ein großes Thema. – Die Bewohner des ehemaligen Wasserturms laden auf www.turmbewohner.de zu einem virtuellen Besuch ein.
Portal des Jahn-Gymnasiums
In Salzwedel besuchte der in Lanz geborene Friedrich Ludwig Jahn die Lateinschule. Dieses heutige Gebäude betrat er aber nicht, denn als es gebaut wurde, lagen des Turnvaters Gebeine schon einige Jahrzehnte unter der Erde – wenn auch nicht endgültig. Das Jahn-Gymnasium macht bei der Initiative „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ mit.
Turm des Rathauses der Neustadt
Wie vieles ist das Neu in Neustadt relativ. Die Neustadt Salzwedel entstand ab Mitte des 13. Jahrhunderts. Der Rathausturm wurde 1585 erbaut. Interessanterweise waren Altstadt und Neustadt, wiewohl unmittelbar benachbart, bis 1713 rechtlich eigenständige Städte.
Durchgang am Neuperver Tor
Wer aus der Neustadt nach Perver schlendern möchte, sollte sich den Bauch nicht zu voll mit Baumkuchen schlagen … Schmale Schlupfpforten sind für Befestigungsanlagen typisch, da sie die Kontrolle der Eintretenden und die Verteidigung erleichtern. Ob der abgebildete Durchgang auf eine solche Pforte zurückgeht oder erst bei Abtritt des Haupttores an den motorisierten Straßenverkehr geschaffen wurde, weiß ich nicht. – Interessant klingt die These August W. Pohlmanns zur Herkunft des Ortsnamens Perwer in seiner Geschichte der Stadt Salzwedel (1811), man habe Juden diesen Platz als Wohnort auserkoren; das Wort (הפרבר) steht nämlich im Hebräischen für Vorstadt.
Turm der alten Feuerwache
Über einen Mangel an Türmen mussten die Salzwedeler wohl selten klagen. Auf Merians Salzwedelstich aus dem Mitte des 17. Jahrhunderts und einer Stadtansicht Salzwedels im Brandenburgischen Album aus der Mitte des 19. Jahrhunderts sind reichlich vorhanden.
Straßennamensschilder der Sankt-Ilsen-Straßen
In den zurückliegenden Jahrhunderten gab es in Salzwedel zwei Elisabethkapellen, die mittelalterliche gehörte zum gleichnamigen Hospital. Somit gab es genug Gebäude, um gleich mehrere Straßen danach zu benennen. Ilse ist eine Kurzform des Namens Elisabeth.
Fachwerkhaus im Lohteich (von mir irrtümlich am Nicolaiplatz verortet)
Den Nicolaiplatz gibt’s noch in Salzwedel, die Nikolaikirche hingegen ist vom Erdboden verschwunden. Das ist eine Parallele zu Perleberg, das 1239 das Salzwedeler Stadtrecht erhielt: Auch in der Stadt an der Stepenitz zeugt nur noch der Name eines Platzes von einer einstigen Nikolaikirche.
Jeetze an der Mönchskirche
Durch Salzwedel strömen mehrere Arme der Jeetze. Im niedersächsischen Wendland wird derselbe Nebenfluss der Elbe „Jeetzel“ genannt. – Diese Ansicht gibt’s auch als wackeliges Wackelbild (2,3 MB), das einen stärkeren dreidimensionalen Eindruck der Szene vermittelt.
Pension und Café Kruse
Erwähnte ich, dass Baumkuchen in Salzwedel in aller Munde ist? Baumkuchen entsteht in der Hitze durch Rotation eines Spießes. Anders als beim Döner Kebap werden außen keine dünnen Schichten abgeschnitten, sondern wiederholt flüssiger Teig aufgetragen, der anbäckt und den Kuchen wie einen Baum in „Jahresringen“ wachsen lässt. Weitere Unterschiede: Baumkuchen ist vegetarischer als Döner Kebap und wird vorzugsweise mit Kuvertüre statt Kräuterknoblauchsoße überzogen.
Turmsockel in der Marienkirche
Ein massiger Feldsteinsockel verrät den romanischen Ursprung der ansonsten der Backsteingotik zuzurechnenden Salzwedeler Marienkirche. Sie ist die größte Kirche der Stadt.
Chorraum der Marienkirche
Der große dreiflügelige Holzschnitzaltar schmückt die Kirche seit gut fünfhundert Jahren.
Marienkirche mit Zipfeldach
Der schiefe Kirchturm der Marienkirche ragt mehr als 80 Meter in den Himmel. Auf der Website Salzwedels ist zu lesen, der Turm sei aus statischen Gründen absichtlich gegen den Wind geneigt. Ob’s stimmt? Nicht jeder Sturm kommt aus der Hauptwindrichtung. Die Geschichte, der Riese Jan Kahle habe den Turm gekrümmt, erscheint mir ziemlich plausibel.
Jenny-Marx-Straße
Johanna Bertha Julie Jenny von Westphalen, die spätere Gattin des Philosophen Karl Marx, wurde 1814 in Salzwedel geboren. Das Paar bekam sieben Kinder, von denen drei ihren zweiten Geburtstag nicht erlebten; ein Sohn starb im Alter von acht Jahren. Harte Zeiten. Von den drei Töchtern, die das Erwachsenenalter erreichten – alle engagierte Sozialistinnen –, begingen zwei Suizid: Jenny Julia Eleanor aus Verzweiflung über die heimliche Heirat ihres langjährigen Partners mit einer anderen Frau, Jenny Laura im Alter von 66 Jahren zusammen mit ihrem Ehemann in der Überzeugung, ihrem Lebenswerk nichts mehr hinzufügen zu können, und in dem Wunsch, keiner Gebrechlichkeit oder Demenz anheimzufallen.
Ehemalige Essigfabrik
Nur Baumkuchen ist auch keine Lösung!
Fachwerkhaus, Holzmarktstraße
Besucher der Stadt können sich an zahlreichen Fachwerkhäusern erfreuen.
Steintor mit Yeti
Hinter dem Steintor von 1530 überspannt eine kleine Brücke – im Foto unter dem Auto – die Salzwedeler Dumme, welche nicht weit entfernt in die Jeetze mündet.
Hinterhof, Am Eichwall
Kaugummiautomat
Wie lange wird es dauern, bis Kaugummiautomaten nur noch an Museumswänden hängen?
Aufgang zum Bahnsteig, Gleise 1–2
Salzwedel war einst ein Eisenbahnknotenpunkt, doch in den zurückliegenden Jahrzehnten wurde der Verkehr auf den meisten Strecken eingestellt, so 1945 nach Dannenberg im Norden, 2002 nach Oebisfelde im Süden und 2004 nach Wittenberge im Osten. Nur die Verbindung Uelzen–Stendal wird heutzutage bedient.

Kommentare

  1. Das "Fachwerkhaus am Nicolaiplatz" werden sie dort vergeblich suche. Es steht im Lohteich!

  2. Vielen Dank für diesen Hinweis!

    Martin

  3. Es heisst aber פרור und nicht פרבר, also vav statt bet. Trotzdem kann die Hypothese zum Ortsnamen richtig sein, gelesen klingt beides gleich. Jürgen

  4. Erst einmal danke für Deinen Hinweis, Jürgen! Gewiss hast Du recht damit, dass פרור korrekt ist.

    Leider verstehe ich selbst überhaupt kein Hebräisch. Könnten eventuell beide Schreibweisen möglich sein oder könnte die andere Schreibweise früher üblich gewesen sein? In der „Kirchengeschichte der Stadt Salzwedel“ von Johann Friedrich Danneil aus dem Jahr 1842 stehen beispielsweise, wenn ich das richtig entziffere, beide Varianten (https://goo.gl/ON6zln – Seite 118 unten), und auch heute leitet in der hebräischen Wikipedia פרבר automatisch auf פרוור weiter.

    Martin