Ruhner Berg und Ruhn

Mecklenburg ist für mich das Land der Berge.

Fällt mein Blick bei einer Fahrt mit dem Prignitz-Express nahe der brandenburgischen Stadt Pritzwalk auf die Gipfel am nordwestlichen Horizont, dann schaue ich ins benachbarte Bundesland. Ich reise recht häufig auf dieser Bahnstrecke, sehe dort jedes Mal Mecklenburg und das einzige, was ich von Mecklenburg sehe, sind diese Berge. Deshalb: Mecklenburg, das Land der Berge.

Die Ruhner Berge sind noch keine 20.000 Jahre alt, also relativ jung. Sie entstanden, als große Teile Europas zuletzt gefroren unter einem Eispanzer lagen. Die vorrückenden Gletscher stauchten und schoben Erdmaterial mit sich. Wo sie ihre größte Ausdehnung hatten, blieb das Geschiebe liegen: Die Ruhner Berge an der alten Eisgrenze erinnern lange nach dem Verschwinden der Gletscher an die frostige Geschichte des Kontinents.

Der höchste Gipfel der Ruhner Berge heißt nicht überraschend Ruhner Berg. Er ist zugleich die höchste Erhebung des Nordbrandenburgischen Platten- und Hügellandes und der zweithöchste Berg Mecklenburg-Vorpommerns. Sein Name ist dem Dorf Ruhn entlehnt, das sich an seinen Südhang schmiegte. Mehr als 700 Jahre hatte es Bestand, bis es 1982 abgerissen wurde.

Am 13. Oktober 2013 hatten Migo und ich Gelegenheit, den Ruhner Berg zu erklimmen und zu flanieren, wo Ruhn einst lag. Freilich habe ich Fotos mitgebracht, doch eines sieht man darauf quasi nicht: Berge. Schon bei den Notizen zur Elmwanderung kam es zur Sprache: Steht man auf oder an den Hängen der wenig schroffen, bewaldeten norddeutschen Höhenzüge, wirken sie auf Fotos, als wären sie nicht der Rede wert.

Der Ruhner Berg reicht 176,8 Meter über den Meeresspiegel. Auf dem Berg steht ein Aussichtsturm, aus dem heraus ich den wartenden Migo fotografierte. Typisch: Wie lang man die Leine auch lässt, er legt sich so, dass sie gespannt ist.
Eine Wendeltreppe führt auf den 2000–2001 erbauten Turm beziehungsweise von der circa 32 Meter über dem Grund gelegenen Aussichtsplattform hinab.
Kein Turm für mich allein: Die Aussicht musste ich mir mit diesem lustigen Gesellen teilen, der Migo und mir auch später in Ruhn über den Weg lief.
Blick nach Südsüdwesten in die Prignitz und darüber hinaus: Am Horizont kann man links den Weißen Berg bei Perleberg, rechts den Funkturm bei Pinnow, Karstädt, und ganz schwach sogar den 40 km entfernten Funkmast des Senders Höhbeck in Niedersachsen sehen.
Charmeoffensive: Im südlichen Mecklenburg informieren Schilder ebenso wie in der benachbarten Prignitz, wo die Europäische Union Geld investiert.
Der Ruhner Berg diente als Messpunkt für die Großherzoglich Mecklenburgische Landesvermessung, die von Großherzog Friedrich Franz II. aus dem Hause Mecklenburg-Schwerin in Auftrag gegeben wurde. Der FF-Stein zeugt davon.
Die Treppe hinab vom Gipfel des Ruhner Berges säumen Halterungen für Infotafeln. Bei unserem Herbstbesuch waren die Tafeln schon eingemottet. Ansonsten hätten wir auf ihnen etwas über Märchen lesen können.
Ein Stück bergab gelangt man zur Wüstung Ruhn, wo acht Tafeln an einem Rastplatz von der Geschichte des 1982 abgetragenen Ortes berichten.
Eine Kuh stellt sich schützend vor ein Jungtier. Dahinter sind Betonblöcke zu sehen – dienten sie einst als Fundamente für Scheunen- oder Hauspfeiler?
Die Höhen der Ruhner Berge sind bewaldet, wobei auf der Nordseite gen Marnitz Buchen vorherrschen, auf der Südseite Kiefern. In und um Ruhn aber liegen von kleinen Baumgruppen unterbrochene Wiesen, die als Weiden und zur Heuernte genutzt werden können.
Eine Bulle grast in der hügeligen Wiesenlandschaft Ruhns.
Mehrbeinige Spaziergänger schlendern auf dem Weg von Ruhn ins brandenburgische Muggerkuhl. Die mecklenburgisch-brandenburgische Grenze veränderte sich in der Geschichte mehrfach; mehrmals verpfändeten die Landesherren Ortschaften ans Nachbarland.
Bei Ruhn steht auch ein Fernmeldeturm.
Die tiefstehende Sonne scheint durchs herbstliche Laub eines Ahorns.
Moos und Flechten siedeln auf einem Weidezaunpfahl.
Die Höhe der Ruhner Berge reicht, um die Niederschlagsmenge gegenüber der Umgebung messbar zu erhöhen. An den Hängen der Ruhner Berge entspringen mehrere Bäche. Bei Ruhn ist es der Freudenbach, der nach Süden der Stepenitz zufließt.

Die Bundesautobahn 24 führt vom Dreieck Wittstock in Richtung Hamburg durch die Ruhner Berge. Als Transitstrecke durch die DDR zur Anbindung West-Berlins wurde der Bau dieses 1982 eröffneten Abschnitts von der Bundesrepublik Deutschland finanziert. Für einen Besuch der Ruhner Berge kommen die Anschlussstellen Parchim, Suckow und gegebenenfalls Putlitz infrage. Eine Anreise per Zug ist seit Demontage der Strecken Parchim–Suckow und später Putlitz–Suckow nicht mehr möglich. Busse fahren.

Rollt man vom Ruhner Berg dem Straßenverlauf folgend nach Süden, gelangt man direkt in die Prignitzer Kreisstadt Perleberg. In Reetz kommt man an dieser Tankstelle vorbei.