31. Das erste Zeichen der neuen Zeit. 1522.
Was einst gesagt, der Stadt zum Heil:
An Rathswahl nimmt der Bürger Theil!
Das sollte nun nicht wahr mehr sein;
Nun wählt der Rath den Rath allein.
Das fuhr den Bürgern in die Kron’,
Sie sprachen mit erzürntem Ton:
„Wer Recht und Ehre liebt, der Mann
Erkenn’ den neuen Rath nicht an!“
Sie kämpften auch mit scharfem Wort
Für ihre gute Sach’ hinfort,
Doch war sie zu gewinnen nicht
Selbst durch ein hohes Schiedsgericht.
Die schwer gekränkte Bürgerschaft,
Vertrauend auf des Fürsten Kraft,
Nun schleunig einen Scriptor rief:
„Verfass’ uns solchen Schreibebrief!
„O hoher Herr, wir bitten Dich,
Du wollst vernehmen gnädiglich,
Daß weiser Rath in unsrer Stadt
Nicht Ohren mehr zu hören hat!
„Seit alten Zeiten immerdar,
Sobald die Rathswahl war im Jahr,
Erschienen in dem Rathhaussaal
Der biedern Bürger zehn zur Wahl.
„Die sahen ein der Kasse Stand,
Und ob die Gelder gut verwandt,
Und kürten mit den alten Herrn
Die neuen aus der Bürger Kern.
„Doch treten jetzt die Rathleut’ her,
Wozu wohl solches nöthig wär?
Es gehe den gemeinen Mann
Das Regiment der Stadt nicht an!
„Wir denken, wer die Steuern zahlt
Und reicht der Stadt den Unterhalt,
Dem soll man nicht sein Recht entziehn,
Nicht kränken ihn und drücken ihn.“
Vom Fürsten diese Antwort kam:
„Mir ist nicht lieb, was Ich vernahm,
Und Ich begehr’, daß Euer Streit
Beendigt werd’ auf alle Zeit!
„Ihr Bürger sollt in jedem Jahr
Den Kassenstand erfahren klar,
Und beugt der Rath solch Recht allhier,
So kommt zu Mir und klagt es Mir.
„Der alte Rath den neuen kürt,
Das ist ein Recht, das ihm gebührt,
Doch Ich bestät’ge stets die Herrn,
Und halte, so nicht würdig, fern.“ — —
„Der Churfürst“, rief die Bürgerschaft,
„Der Churfürst greift in seiner Kraft
In unser Wesen und Gebiet?
Das ist ein nie gehörtes Lied!“ —
(Der Rath blieb trotz der Verfassungsurkunde von 1347 aristokratisch, und suchte die demokratische Bürgerschaft von jedem Einfluß auf das Stadtregiment fern zu halten. — Die Bestätigung der Rathmannen durch den Churfürsten ist eine neue Erscheinung.)