Splitter, Dezember 2009

68 – 2009-12-03, 14:17:04

Migo ist erkrankt. Es ist kaum zu glauben, dass ein so großes Bauchgrimmen in ein so kleines Tier passt. Hoffentlich bessert es sich bald nachhaltig – in den vergangenen Tagen war es wie beim kleinen Tiger: Als Migo ein Spritze vom Arzt bekommen hatte, ging es ihm schon wieder ein wenig besser. Aber dann ging es ihm wieder ein wenig schlechter. Als er geschlafen hatte, ging es Migo schon wieder ein wenig besser. Aber dann ging es ihm wieder ein wenig schlechter…


69 – 2009-12-03, 16:49:24

Microsofts Suchmaschine Bing ist visuell besonders ansprechend: Der Hintergrund wird täglich von einem neuen faszinierenden Foto geschmückt. Dazu stellt die Suchmaschine – oder Entscheidungsmaschine, wie Microsoft sie nennt – interessante Fragen zum Bild, die man sich selbst durch einen Klick beantworten kann. Bing lädt damit ein, tiefer in das Thema des Bildes einzutauchen und jeden Tag etwas neues zu lernen. Heute taucht man beispielsweise zusammen mit einem Walhai ins Georgia Aquarium ein. Walhaie sind die größten heute lebenden Fische unseres Planeten. Wie auch der Blauwal, die größte und schwerste Tierart überhaupt, ernähren sich Walhaie von Kleinlebewesen, die sie aus dem Wasser herausfiltern.

Alles schön und gut. Peinlich ist nur, dass Bing den abgebildeten Walhai der ganzen Welt als viel kleineren und anders geformten Zebrahai verkaufen will. Millionen Menschen lernen heute etwas Falsches… Es wäre erfreulich, würde Bing ebenso viel Sorgfalt auf die Inhalte wie auf das Aussehen verwenden.


72 – 2009-12-09, 00:31:58

Im Radio läuft in letzter Zeit ständig Werbung von Möbelhäusern und Automobilbauern, welche Kunden zu Konsumkrediten verführen will.

Ein großes schwedisches Einrichtungshaus etwa behauptet, eine neue Küche sei genau das Richtige für jene, die sich vorgenommen haben, einander dieses Jahr nur etwas Kleines zu schenken. Da vergeht einem das weihnachtliche „Hohoho“ und nur ein gequältes „Hahaha“ kommt noch heraus. Das kleine Geschenk muss natürlich über einen Vierjahreskredit mit monatlichen Ratenzahlungen finanziert werden. Man bezahlt das kleine Geschenk des aktuellen Jahres also noch Weihnachten 2013 ab. Da frage ich mich doch, was man sich bis dahin schenken soll? Noch mehr Schulden? Wie sähe eigentlich ein großes Geschenk aus? Der Kredit werde zu 0 % verzinst, sagt übrigens das Einrichtungshaus im Radio. Allerdings fällt anstatt der Zinsen eine Bearbeitungsgebühr an – das steht aber nur im Kleingedruckten.

Faszinierend auch der Slogan „zahl doch einfach später“ desselben Unternehmens. Man könnte meinen, es hätte die weltweite Finanzkrise, von deren Auswirkungen wir uns noch längst nicht erholt haben, nie gegeben.


73 – 2009-12-09, 10:55:56

Heute morgen beobachtet: Paarung der Stepenitz-Stockenten. Das tun sie wohl schon seit mehreren Wochen, aber da es meist nur ein paar Sekunden dauert, verpasst man den eigentlichen Akt leicht. Interessant am Sexualverhalten von Stockenten ist, dass bei ihnen eine große Variabilität dokumentiert ist: Neben heterosexuellen Beziehungen auch Homosexualität, Paarungsversuche mit einseitigem Einverständnis sowie Verkehr mit toten Artgenossen (Quelle: C. W. Moeliker: The first case of homosexual necrophilia in the mallard Anas platyrhynchos (Aves: Anatidae)).

Überhaupt sind Stockenten sehr anpassungsfähige, also experimentierfreudige, vielseitige Tiere. Gewiss ist dies einer der Gründe für ihren Erfolg selbst in einer durch den Menschen geprägten und umgestalteten Welt.


74 – 2009-12-09, 17:33:52

Bei einer Partie Perleberger Brückenschach vermisse ich gerade die Möglichkeit des „Friendly Fire“, denn schnell stehen einem die eigenen Figuren im Weg. Abgesehen davon scheint Verteidigung leichter zu sein, als offensiv zu agieren. Bei einem Angriff drohen größere eigene Verluste. Erinnert mich an den Film WarGames.


76 – 2009-12-11, 23:59:32

Gestern ein neuer Deutsche-Bahn-AG-Verspätungsrekord: Die Strecke Perleberg–Golm (Potsdam) in sechs Stunden und fünfzig Minuten anstatt der geplanten zweieinhalb Stunden. Um vier Stunden und zwanzig Minuten oder gut 173 % der Reisezeit verspätete sich unsere Ankunft gegenüber dem Fahrplan. Anstatt einmal umzusteigen brauchten wir sechs Züge und einen Bus. Den Wind im Rücken hätten wir auch radeln können: bei 18,37 Kilometer pro Stunde und gleicher Abfahrtszeit hätten wir das Ziel genauso spät erreicht.

Ja, der Zug brannte in Heiligengrabe. Dafür kann die Bahn vielleicht nichts. Aber dass es gut zwei Stunden brauchte, bis die Reisenden irgendwie weiter kamen, ist eine schwache Leistung.


77 – 2009-12-12, 00:42:08

Perleberger Brückenschach ist nun als Perleberger Bridge Chess in der ausgezeichneten, umfangreichen englischsprachigen Sammlung von Schachvarianten The Chess Variant Pages enthalten. Sehr erfreulich!


79 – 2009-12-13, 18:10:40

An uns Menschen schleift der Wind der sich wandelnden Zeit. Alles was wir an Informationen aufnehmen – Ratschläge von Freunden, Argumente in Diskussionen, Dokumentationen und Liebesromane, was wir sehen, hören, fühlen, riechen, schmecken –, formt uns zusätzlich zu den eigenen Entwicklungen von Körper und Geist. Wir verändern uns, ändern unsere Meinungen und politischen Anschauungen. Selbst unsere Erinnerungen an die Vergangenheit stehen nicht fest, sondern schmiegen sich einerseits an die Notwendigkeiten der aktuellen Zeit, können zum anderen im Nachhinein manipuliert werden.

Dem gegenüber steht ein Netz, das „niemals vergisst“. In Jahrzehnten noch wird uns das Internet mit unserer privaten Vergangenheit konfrontieren. Es wird nach Rechtfertigung verlangen für Dinge, die wir nicht mehr sind, die wir vielleicht nicht einmal erinnern. Ein geeigneter Umgang mit diesen alten Knoten muss erst erlernt werden.

Bekannt ist, dass Personalchefs in sozialen Netzwerken unterwegs sind. Sie verwenden allgemeine und spezialisierte Suchmaschinen, um jenseits des klassischen Lebenslaufes in die Vergangenheit von Bewerbern zu blicken, auch um in deren Privatleben Einsicht zu erhalten. Werden die Funde richtig eingeordnet? Ein Jahre altes Digitalfoto wirkt gegebenenfalls frisch, stammt aber aus einem anderen Zusammenhang als Bewerber und Personalchef heute. Die Möglichkeiten, aus alten Aufzeichnungen Informationen über einen Menschen und seine momentane sowie zukünftige Lebenswirklichkeit zu gewinnen, sind äußerst beschränkt. Darüber hinaus darf das Vermögen des Netzes, authentisch zu speichern, nicht als Selbstverständlichkeit angenommen werden. Historische Fäden des Netzes lassen sich umspinnen. Komplett neue Vergangenheiten können kreiert werden.

Ich denke allerdings, dass sich nicht nur für den Umgang mit der Vergangenheit Dritter ein neuer Modus etablieren muss. Jeder Mensch selbst wird mit seiner Unstetigkeit konfrontiert, seiner Inkonsequenz. Die eigenen Erinnerungen werden von den im Netz gespeicherten abweichen. Man wird lesen, wie man selbst für Positionen streitet, die man nicht weiter vertritt. Dies anzunehmen – es nicht als Demenz wahrzunehmen, seine Vergangenheit nicht als irregeleitet zu betrachten, zum Damals zu stehen und gleichzeitig das widersprüchliche Jetzt ganz zu leben – ist eine Aufgabe, die sich immer öfter stellen wird.

In dieser Aufgabe – ich hoffe viele bewältigen sie – liegt eine große Chance: zu mehr Toleranz unter den Menschen.


81 – 2009-12-17, 16:48:39

Lustig, dass „fettarme Milch“ niederländisch „halfvolle melk“ genannt wird. Dieser Unterschied erinnert mich an die Frage, ob das Glas halbleer oder halbvoll sei. Sind Holländer also die glücklicheren Milchtrinker?


84 – 2009-12-18, 22:25:04

Toll an einer schneebedeckten Landschaft ist unter anderem, dass man viele der Spuren sieht, denen Hunde so oft nachschnüffeln, die einem selbst aber meist verschlossen bleiben. Heute zum Beispiel die Pfotenabdrücke eines Kaninchens.


86 – 2009-12-22, 20:39:05

Das Kurz-URL-Problem ist längst aktuell. Ich durchstöberte eine Liste von über 140 Kurz-URL-Diensten, welche die Firefox-Erweiterung „shortenurl“ unterstützt. Die Liste wurde zuletzt am 30. November aktualisiert. Heute, nach gut drei Wochen, waren 10 % der Dienste überhaupt nicht mehr erreichbar, bereits auf den ersten Blick defekt oder es fand sich unter ihrer Adresse mittlerweile ein ganz anderes Angebot.

Ausprobiert habe ich keinen der Dienste, es kann also sein, dass noch mehr von ihnen Fehler aufweisen oder dass sie Datenverluste erlitten. Schon im Juni dieses Jahres wurde einer der größten Kurz-URL-Dienste Cligs, den mittlerweile der Internet-Lesezeichen-Dienst Mister Wong übernommen hat, gehackt und über 2 Millionen Adressen auf eine andere Seite umgeleitet – glücklicherweise in diesem Fall keine Seite, die Schadcode verbreitete. Über 160.000 Adressen konnten nicht durch Backups wieder hergestellt werden. (Quellen: Cligs zum Ersten, Cligs zum Zweiten)

Die Initiative 301Works möchte dem Datenverlust durch den Niedergang von Kurz-URL-Anbietern und damit auch dem Verlust an Bedeutung vieler Inhalte im Netz zukünftig vorbeugen. Allerdings war keiner der Dienste, die ich auf meiner Streiftour heute als unerreichbar fand, darüber abgesichert. Auch ist fraglich, wer von den unzähligen Anbietern sich diesen doppelten Boden leisten können wird, wenn das derzeit kostenlose 301Works seine Ankündigung wahr macht, „bei Bedarf eine kleine jährliche Gebühr von vielleicht 1000 US-Dollar“ zu erheben. Ebenfalls fraglich ist, wer von denen, die ihren Kurz-URL-Dienst aufgeben, seine Adresse dann an 301Works verschenkt anstatt sie meistbietend zu verkaufen. Ohne diese Schenkung geht die Funktionalität aller Links erst einmal verloren. Allerdings werden die Abbildungen zwischen Kurz-URLs und eigentlichen Adressen dann veröffentlicht, sodass zumindest keine Daten der Beteiligten unwiederbringlich verloren gehen. Nicht bekannt ist bislang, welchen Datenschutzbestimmungen sich 301Works verpflichtet fühlen wird. Ob sie wohl dieselben Standards bei den Nutzerdaten beachten werden, die der abgesicherte Kurz-URL-Dienst seinen Kunden versprach?

Natürlich möchte ich nicht so tun, als hätten Kurz-URL-Dienste grundsätzlich hohe Standards, was dies betrifft. Im Gegenteil scheint der Selektionsdruck unter den Wettbewerbern dafür zu sorgen, dass Anbieter sich vor allem durch besonders ausgefeilte Nutzungsauswertungen zu profilieren versuchen. Dabei sind selbst vermeintlich anonymisierte Daten nicht sicher, wie eine Veröffentlichung von Nutzungsdaten von AOL im Jahr 2006 zeigte (siehe heise.de).


87 – 2009-12-30, 10:09:41

Der fröhliche Hund

Im Schnee, kein Kiesel drunter zu eräugen, lief wedelnd seinen Schwanz ein Hund.
Der Nase nach ging’s stöbernd links, auch rechts behänd gewendet allerdings,
Zurück und vor, im Kreis sogar, mal dort und fort, dann hin und wieder nah.
Dies Schauspiel, Schneegeriesel dank, fand rechts, vor, links statt wie zurück im Stillen.
So lief das Tier, das auf der Suche nach dem Fund im Schnee nur wenig sah,
Der Strecke mehr als schritt sein Herr. Es tat es um des blauen Balles willen.