August Höpfner: Perleberger Reimchronik

13. Perleberg und Wilsnack. (Um 1390.)

„Wir mögen um die Nachbarschaft
Von Wilsnack baß uns preisen;
Des heil’gen Blutes Wunderkraft
Begann, sich zu erweisen.

„Gen Wilsnack alle Straßen sind
Bereist um Himmelsgaben:
Der Ablaß wirkt so kühl und lind
Und ist da leicht zu haben.

Für jede Meil’, die Einer macht
Gen Wilsnack und zurück dann,
Ist neu ihm Ablaß zugesagt;
Nun sehet unser Glück an!

„Wie sie erhöhn der Meilen Zahl,
Darüber sinnen Alle;
Sie ziehn um Wilsnack her zumal
Wie Mäuse um die Falle.

„Es kommt nach Wilsnack kaum ein Mann,
Der uns nicht auch besuche;
Wir sehen dem Verkehr es an
In Leder hier und Tuche.

„Da Wilsnack Eine Herberg’ ward,
So liefern wir die Waaren,
Und oft ist uns die Fordrung hart,
Das Nöth’ge anzufahren.

„Fürwahr, das heil’ge Wunderblut
Ist nicht nur nütz den Kranken;
Es ist auch den Gesunden gut,
Wie wir ersehn mit Danken.

„Nun laßt uns baun ein Gasthaus hier
Den Pilgern, Gott zu Liebe!
Der heil’gen Gertrud wollen wir
Es weihn mit reinem Triebe.“ —

Bald stand gen Wilsnack vor dem Thor
Das Gasthaus sammt Kapelle;
Es wuchs und blühte rasch empor
Durch Zuspruch und Gefälle.

(In dem Ablaßbrief für die zum Wilsnacker Wunderblut Wallfahrenden versprachen der Erzbischof von Magdeburg, die Bischöfe von Havelberg, Brandenburg und Lebus für das Passiren jeder Meile Weges nach Wilsnack 40 Tage Ablaß im Hin- und Weggehen; für jeden Gang um den Kirchhof 40 Tage etc. — Der Besuch in Wilsnack war sehr groß. — Perleberg hatte an Wilsnack vorzugsweise ein Handelsinteresse; es legte für die Pilger das Gasthaus St. Gertrudis vor dem Dobbertziner Thore [in der jetzigen Wilsnackerstraße] an und neben demselben ein Kirchlein.)